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Interview mit Andreas Schwarz zu Stuttgart 21

Sind die Grünen mittlerweile Stuttgart-21-Fans geworden? Nach der Volksabstimmung akzeptieren wir, dass sich die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg gegen die Kündigung des Stuttgart-21-Finanzierungsvertrages ausgesprochen hat. Trotzdem haben wir immer noch Zweifel was die verkehrlichen Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 angeht. Das war ja neben den hohen Kosten auch der entscheidende Punkt, warum wir das S21-Kündigungsgesetz zur Volksabstimmung gebracht haben. Wir wollten eine Möglichkeit zur Beendigung des Finanzierungsvertrages schaffen. Leider hat das S21-Kündigungsgesetz keine Mehrheit erhalten. Das Land ist deshalb weiter verpflichtet, seinen Leistungen nachzukommen. Im Gegenzug ist die Deutsche Bahn AG verpflichtet, ihr Projekt wie vereinbart umzusetzen. Wir werden daher Stuttgart 21 kritisch und konstruktiv begleiten. Aber wo ist der versprochene kritische Teil der Projekt-Begleitung? Wir begleiten die aktuellen Bauprojekte in Baden-Württemberg sehr eng. Uns ärgern ganz besonders die dramatischen Baukostensteigerungen, vor denen wir immer gewarnt hatten. Wir haben den Eindruck gewonnen, dass Planen und Bauen mit der Deutschen Bahn AG immer teurer wird und es länger dauert. Das darf aber nicht Schule machen. Beim Projekt Stuttgart ist für uns daher klar: Der Kostendeckel von 930 Millionen Euro für das Land gilt. Es besteht nach dem Finanzierungsvertrag keine Verpflichtung zu weiteren Leistungen. Kurz: Es gibt nicht mehr Geld. Das Land wird sich an Mehrkosten oberhalb von 4,526 Mrd. € nicht beteiligen. Auch die Sprechklausel bedeutet nicht, dass das Land mehr bezahlen muss. Wichtig ist uns die Pünktlichkeit der Züge. In den vergangenen Monaten kam es, auch bedingt durch Bauarbeiten und technische Störungen an Signalanlagen, Weichen oder Zügen, zu einer massiven Zunahme von Zugausfällen und Verspätungen. Viele Pendlerinnen und Pendler in der Region Stuttgart kamen regelmäßig verspätet zur Arbeit und mussten lange Umsteige- und Wartezeiten in den Bahnhöfen ertragen. Hierzu haben wir einen Antrag in den Landtag eingebracht - siehe hier. Die Drei-Minuten-Pünktlichkeit erreichte die S-Bahn Stuttgart 2011 noch in 90,6 Prozent der Fälle. Im Jahr 2012 erreichten nur noch 87 Prozent der Züge eine Drei-Minuten-Pünktlichkeit. Der Zielwert für pünktliche oder maximal drei Minuten verspätete Züge liegt im Verkehrsvertrag des Landes mit der Bahn bei 94,5 Prozent. Wir als Fraktion setzen uns dafür ein, dass es weniger Verspätungen gibt: Pünktliche Züge sind besonders im Nahverkehr wichtig, da viele Pendlerinnen und Pendler auf andere Linien und Verkehrsträger umsteigen müssen. Im neuen Verkehrsvertrag wollen wir die Anforderungen an die Pünktlichkeit der Züge verschärfen. Was machen die Grünen für den Brandschutz bei den Tunnelarbeiten an der Neubaustrecke? Stuttgart 21 ist ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn AG. Die Deutsche Bahn AG ist Bauherrin und Vorhabenträgerin. Sie muss daher auch für einen umfassenden Brandschutz sorgen. Hier darf es keine Kompromisse geben, da ist unsere Ansage und Erwartung ganz klar. Uns ist darüber hinaus auch der Brandschutz an der Neubaustrecke und an den Tunnelstrecken der Bahn sehr wichtig. Hierzu haben wir einen Antrag „Besserer Brandschutz in den Bahnhöfen und Sicherheit von Fahrgästen“ in den Landtag eingebracht, der die Situation beleuchten soll. Zum Antrag  Woran liegt es, dass Projekte zum Ausbau der Schiene in Baden-Württemberg so lange dauern? Diese Frage hat der Arbeitskreis Verkehr der Grünen im Landtag auch dem Ministerium für Verkehr und Infrastruktur gestellt. Wir wollten wissen wo Personal fehlt, um die Genehmigungsverfahren beim Eisenbahn-Bundesamt schnell genug zu bearbeiten. Im Zuge der Planfeststellungsverfahren für Stuttgart 21 hatte die Deutsche Bahn immer wieder von „behördlichem Schwergang“ gesprochen. In seiner Stellungnahme zum Antrag der Grünen teilte das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur folgendes mit: „Die Landesregierung kann das Ausmaß von Behinderungen bzw. Verzögerungen nicht quantifizieren; doch es zeichnen sich bei fast allen Projekten in Baden-Württemberg sehr deutliche Verzögerungen ab, die – trotz der Berücksichtigung anderer Verzögerungsquellen aufgrund der Vielschichtigkeit der Verfahren – den Schluss nahe legen, dass auch die Personalausstattung des Eisenbahn-Bundesamtes mitursächlich sein muss.“ Das Ministerium sieht aber auch die Bahn in der Pflicht, genehmigungsfähige Antragsunterlagen vorzulegen. Die Grünen fordern, durch eine frühzeitige Beteiligung von Betroffenen dafür zu sorgen, dass es später weniger Planänderungen und -überarbeitungen gibt. Ich kann nur feststellen: Offensichtlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass zu wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Eeisenbahn-Bundesamt in Karlsruhe und Stuttgart an den Genehmigungsverfahren arbeiten. Das hat negative Auswirkungen für ganz Baden-Württemberg. Denn bei vorgesehenen Projekten, bei denen die Finanzierung bereits steht, steigen die Preise allein schon durch die Inflation. Warum stellt die Regierung nicht die Zahlungen ein, wenn sich nichts tut? Nach Angaben der Deutschen Bahn gehen die Bauarbeiten voran. Im Sommer möchte die Bahn zum Beispiel den Querbahnsteig um rund hundert Meter Richtung Bad Cannstatt verschieben. Das Land ist nach dem Finanzierungsvertrag zu Stuttgart 21 von 2009 zur Zahlung seiner Finanzierungsbeiträge zum 30. April und zum 31. August eines Jahres verpflichtet. Den Mittelverwendungsnachweis zum 30. Juni 2012 hat die DB erst am 20. Juli 2012 vorgelegt. Angeforderte Unterlagen waren damals noch nicht übergeben und erbetene Auskünfte noch nicht erteilt. Die Landesregierung  weist darauf hin, dass die Bahn die Rechtsauffassung vertritt, dass die halbjährlichen Finanzierungsbeiträge von Land und Partnern bereits bei Nachweis der „Nachschüssigkeit“ fällig werden und beruft sich dabei auf den Wortlaut des § 10 Absatz 6 der Finanzierungsvereinbarung. Das Land ist dagegen der Auffassung, dass eine Fälligkeit nur nach Prüfung und Testierung eines Verwendungsnachweises eintritt. Daher erfolgten Auszahlungen durch das Land in der Vergangenheit erst nach Abschluss der Prüfung und mithin nach den in § 10 Abs.6 genannten Zahlungsterminen. Was ist, wenn die DB weiter baut und irgendwann feststellt, dass ihr das Geld ausgeht  Der Kostendeckel gilt. Das Land wird sich an Mehrkosten für Stuttgart 21 oberhalb von 4,5 Milliarden Euro nicht beteiligen. Dazu gibt es entsprechende Beschlüsse. Die Sprechklausel bedeutet nicht, dass das Land mehr als 930 Millionen Euro bezahlen muss. Die Deutsche Bahn muss für vollständige Transparenz bei den Kosten, Chancen und Risiken sorgen und auch die Projektrisiken darstellen. Damit ist für alle Seiten klar, dass sich das Land nicht an weiteren Kosten beteiligen wird. Auch wegen der Haushaltslage sehen wir das Land dazu nicht in der Lage. Der Aufsichtsrat der Bahn hat vor diesem Hintergrund beschlossen, Stuttgart 21 weiter zu bauen und den Finanzrahmen zu erhöhen. Wir sind überzeugt, dass die Deutsche Bahn mit einer Klage gegen das Land keinen Erfolg haben wird. Der Zuschuss des Landes ist freiwillig. Der Landeshaushalt eignet sich nicht für umfangreiche Unterstützung von Infrastrukturgroßvorhaben der Deutschen Bahn AG und des Bundes.