Schulen zukunftsfest machen

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Würden wir uns im Land mit dem innerdeutschen Vergleich, also der Bundesliga, zufriedengeben, könnte Selbstzufriedenheit aufkommen. In der im Herbst veröffentlichten großen IQB-Studie zu den Leistungen unserer 15Jährigen, lag neben Bayern nur Baden-Württemberg in allen Kategorien über dem Durchschnitt. Und dies trotz anteilig mehr sozioökonomisch benachteiligten Schülerinnen und Schüler als in Bayern und in den meisten anderen Bundesländern. Wir stellen fest: Im bundesdeutschen Vergleich ist Baden-Württemberg wieder vorne dabei. An den Schulen im Land wird Großartiges geleistet. Deshalb muss eines aufhören, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es muss aufhören, dass dieses Land und unsere Bildungspolitik künstlich schlechtgeredet werden!

Fokus auf Grundschulen

Trotzdem müssen wir feststellen: Die zitierten Ergebnisse sind relativ, denn absolut sind sie in allen Bundesländern deutlich rückläufig. Dies hat die PISA-Studie in der vergangenen Woche nochmals drastisch verdeutlicht.

Deshalb ist es richtig, dass wir als grün geführte Landesregierung ein besonderes Gewicht auf die Basiskompetenzen legen, dass wir ganz besonders auf die frühkindliche Bildung und die Grundschule setzen. Und es ist im Übrigen auch richtig, dass wir mit dem Programm Rückenwind landesweit den niedrigschwelligen Einstieg in multiprofessionelle Teams geschafft haben. Sowohl die PISA-Studie, als auch die IQB-Messungen haben übrigens vor dem Rückenwindprogramm stattgefunden. Dessen positiven Effekte, die auch die Opposition in diesem Haus inzwischen anerkennt, sind darin noch nicht erfasst.

Ganzheitliche Reform des Bildungssystems

Unsere Bildungspolitik bewegt sich klar in die richtige Richtung. Ebenso klar ist allerdings auch: Maßstab unseres international im Wettbewerb stehenden  Wirtschaftsstandorts muss die Champions League sein. Dem werden zwar einzelne Schulen, aber keines unserer Bundesländer in Gänze gerecht. Aus PISA lernen, heißt somit konsequent das zu intensivieren, was wir bereits begonnen haben: Eine systematische Diagnose und Förderung der Sprach- und Lesekompetenz - beginnend in der Vorschule und nach Bedarf bis in den Sekundarbereich. Wir benötigen eine systematische Weiterentwicklung der Unterrichtsformate, insbesondere einen individuell fördernden adaptiven Unterricht. Dieser ist in den PISA-Siegerländern selbstverständlich und wird bei uns viel zu selten angeboten.

Wir brauchen, und auch damit haben wir begonnen, eine bedarfsgerechte und aufgabenorientierte Ressourcensteuerung, um die Chancen von Kindern und Jugendlichen aus sozioökonomisch benachteiligten Familien zu verbessern.

Future Skills

Dass uns das zu selten gelingt, ist vermutlich ein Grund für die bemerkenswert erfolgreiche Volksinitiative zu G9. Unsere Kinder und Jugendlichen haben zu wenig Zeit für die Entwicklung grundlegender Fähigkeiten. Sie müssen, auch aufgrund überkommener Prüfungsvorgaben, eine Unmenge Stoff reproduzieren, der dann viel zu schnell wieder vergessen wird. Bereitet dieses so genannte Bulimie-Lernen auf die Herausforderungen der Zukunft vor? Nein, denn es geht künftig mehr denn je – auch dies formuliert PISA sehr klar - darum selbstständig, logisch und kreativ zu denken. Es geht darum, Aufgaben aus der realen Lebenswelt anzugehen, die weder automatisiert noch mit Standardrezepten gelöst werden können. Menschen machen dort den Unterschied, wo das Wissen von Wikipedia und die so genannte künstliche Intelligenz an ihre Grenzen stoßen.

Unsere jungen Menschen müssen mit ihren fachlichen und fächerübergreifenden Kompetenzen in der Lage sein, sich unbekannten Herausforderungen des echten Lebens erfolgreich zu stellen. Die nötigen Future Skills – Kommunikation, Kooperation, Kreativität und kritisches Denken - lernen junge Menschen in unserem Schulsystem bisher viel zu wenig.

Dies beklagen – aktuell auch in der laufenden Enquete krisenfeste Gesellschaft – zurecht große Teile unserer Wirtschaft, die Industrie ebenso wie das Handwerk, und unsere Hochschulen. Denn was haben wir von Wissenschaftlerinnen oder Ingenieuren, die nicht kreativ sind? Wie sind wir gegen Fake News gewappnet, wenn junge Menschen kaum gelernt haben, klug zu hinterfragen, Ideologien zu entlarven und sich mutig eigene Gedanken zu machen?

G8 oder G9?

Viele junge Leute haben dies längst begriffen und fordern offensiv nicht nur ein Update, sondern ein Upgrade unseres Bildungssystems – so wie der Landesschülerbeirat in seiner Stellungnahme zum Bürgerforum G8/G9.

Dieses Bürgerforum hat sich für ein neues G9 ausgesprochen und ausdrücklich nicht für eine Retro-Version! Denn den Zufallsbürger/innen war schnell klar: Die Ursachen für die Probleme des Gymnasiums liegen nicht in G8, und G9 ist alles andere als ein Allheilmittel. Es ist mehr als bedenklich, dass das Gymnasium in der neuesten PISA-Studie von allen Schularten den größten Einbruch erlebt. Schließlich ist es die Schulart mit der homogensten Schüler*innenschaft und mit der vergleichsweise besten Ressourcenausstattung.