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Ökologisch, sozial und fair: Land richtet Standards bei Einkauf neu aus

Die Verwaltungsvorschrift über die Vergabe öffentlicher Aufträge (kurz VwV Beschaffung) klingt nicht besonders spannend. Doch für die Landesverwaltung ist sie von großer Bedeutung, denn sie regelt wann in den Verwaltungen des Landes was, wie beschafft werden kann und somit welche Kriterien für den Einkauf gelten. Für uns Grüne ist klar, dass das Land grundsätzlich bei der Umsetzung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster eine Vorbildfunktion hat und wir uns somit die Frage stellen müssen: Wie wollen wir als Land handeln? Unter maßgeblicher Beteiligung der grünen Fraktion ist nun zum 1. April dieses Jahres  die reformierte Verwaltungsvorschrift Beschaffung in Kraft getreten. Was ändert sich?  Andreas Schwarz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Landtag, fasst zusammen: „Die Umweltfreundlichkeit der Produkte, die das Land beschafft, spielt nun eine weitaus bedeutendere Rolle als bislang – ebenso soziale Aspekte wie die Entlohnung von Arbeitskräften oder fairer Handel.“ Bei Ausschreibungen zählt nun auch, wie lange ein Wasserkocher hält, ob der Kaffee fair gehandelt wird, dass ein Teppich nicht von Kinderarbeitern geknüpft wurde, ob Computeranwendungen auf Open Source basieren oder ob das Papier für Kopierer und Toilette das Recycling-Logo "Blauer Engel" trägt. Öffentliche Auftraggeber in Deutschland beschaffen nach Angaben der Europäischen Kommission jährlich Produkte sowie Bau- und Dienstleistungen in einem Umfang von rund 19 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Etwa ein Viertel davon entfällt auf die Länder, der Rest auf die Kommunen und den Bund. Allein das Land hat mit seinen 254 000 Beschäftigten hat eine große Marktmacht. Von diesen Aufträgen des Landes profitieren naturgemäß zahlreiche Unternehmen in Baden-Württemberg und ihre Angestellten. Eine Änderung der Einkaufspolitik hat auf diese Auswirkungen. Schwarz begrüßt daher die neue VwV: „Mit ihrer Marktmacht nimmt die Landesregierung einerseits direkt Einfluss und betreibt aktive ökologische Mittelstandspolitik. Andererseits wollen wir eine Vorreiterrolle einnehmen und Beispiel geben für die Privatwirtschaft.“ Die Abkehr vom reinen Preisdiktat birgt nämlich auch wirtschaftliche Vorteile. Denn das Leitziel Klimaneutralität beinhaltet auch eine Abschätzung, welche Produkte den längsten Lebenszyklus haben. Billige Elektronikartikel z.B., die nach wenigen Jahren reihenweise den Geist aufgeben, belasten den Haushalt langfristig stärker als hochwertige Produkte mit höheren Anschaffungskosten, aber längerer Laufzeit. Konkret ändert sich jetzt, dass die Vorschriften auch auf den sog. Unterschwellenbereich (Beschaffungen von Dienst- und Lieferleistungen unterhalb von derzeit 207.000 €) erweitert wurden. Der abstrakte Begriff der Nachhaltigkeit kann daher in sehr vielen Fällen in die konkreten Beschaffungsvorgänge integriert werden. Die EinkäuferInnen des Landes prüfen, welche Produkte die geringste Umweltbelastung hervorrufen und welche die beste Energieeffizienz erreichen. Bei Konsumprodukten wie Papier, Versand- und Verpackungsmaterial garantiert das Umweltzeichen Blauer Engel, dass es sich um Recycling-Produkte handelt. Zudem können Ausschreibungen gezielt auf faire Produkte ausgerichtet werden. „Das ist mehr als nur Symbolpolitik. Durch die neuen Vorschriften machen wir einen wichtigen Schritt zu einer weitgehend klimaneutralen Landesverwaltung. Durch die neuen Vorgaben profitiert aber nicht nur die Umwelt, sondern auch die baden-württembergische mittelständische Wirtschaft“, so Schwarz. Produkte aus fairem Handel können gezielt ausgeschrieben werden – in einer Anlage zur VwV Beschaffung ist der Nachweis für Produktgruppen festgelegt, bei denen die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation zu berücksichtigen sind. Dies betrifft Aufträge, bei denen Produkte verwendet werden, die in Afrika, Asien und Lateinamerika gewonnen oder hergestellt wurden. Das sind Textilien und Bekleidung, Sportbekleidung und -artikel, Spielwaren, Teppiche, Lederwaren, Natursteine, Agrarprodukte sowie „Billigprodukte“ aus Holz. Anbieter müssen nachweisen, dass Sozialstandards eingehalten werden. „Dies sorgt dafür, dass unsere heimische Wirtschaft nicht aufgrund von unsozialen Dumping-Angeboten aus Wettbewerbsverfahren herausfällt“, so Schwarz. Durch eine Anwendungsempfehlung der neuen Kriterien sollen auch die Beschaffungsstellen der Kommunen für eine sozial und ökologisch gerechte Einkaufspolitik sensibilisiert werden. „Ich kann den Kommunen und auch den Unternehmen nur empfehlen mitzumachen“, fügt Schwarz hinzu, „denn langfristig profitieren alle - also Staat, Unternehmen, Umwelt und Gesellschaft - davon, wenn wir unser Handeln bewusst sozial, ökologisch und fair gestalten.“