Zugabbestellungen wären ein fatales Signal

Zugabbestellungen wären ein fatales Signal

"Die Situation ist ernst", sagt Andreas Schwarz, stellvetretender Vorsitzender und Verkehrsexperte der Fraktion GRÜNE zu den drohenden Zugabbestellungen. "Wir werden alles dafür tun, dass keine Züge abbestellt werden. Unser Ziel ist es, den öffentlichen Nahverkehr gegenüber dem motorisierten Individualverkehr deutlich  zu stärken. Zugabbestellungen wären ein fatales Signal."

Aufgrund steigender Ausgaben für Energiekosten, Trassen- und Stationsgebühren stehe das Land Baden-Württemberg vor einem enormen Kostenproblem. Schuld an dem Desaster ist laut Schwarz die schwarz-gelbe Vorgängerregierung. "Sie hat vor Jahren gegen unseren heftigen Widerstand einen schlechten Vertrag mit der Bahn über 40 Millionen Zugkilometer abgeschlossen. Die jetzige Landesregierung muss diese Fehlentscheidung nun ausbaden." Durch diesen Vertrag zahle das Land im Gegensatz zu anderen Bundesländern der Deutschen Bahn zu hohe Gebühren, damit ein Zug auf einer Trasse fahren und an einer Station halten kann.

Da das Land der Besteller von Nahverkehrszügen ist, muss es für jeden Kilometer, den ein Zug zurücklegt, Geld an die Bahn zahlen. "Laut Vertrag sind das derzeit  rund zehn Euro pro Zugkilometer. Zum Vergleich: Die Schwarzwaldbahn fährt mit weniger als der Hälfte und selbst die Kulturbahn Tübingen-Pforzheim braucht nur zwei Drittel der besagten Zuschüssen. Auch die Stuttgarter S-Bahn fährt wesentlich günstiger."

Erschwerend komme hinzu, dass der Bund, der dem Land für den Schienennahverkehr Geld zur Verfügung stellt, die so genannten Regionalisierungsmittel (siehe unten bei "Hintergrund") nicht ausreichend erhöht hat. "Das Land zieht gleich zwei Mal den schwarzen Peter."

"Aber klar ist: Wir müssen mit der Situation umgehen und prüfen, ob Planungs- und Baukosten für große Infrastrukturvorhaben, wie für die Südbahn, die Gäubahn, die Rheintalbahn und Stuttgart 21 nicht aus Regionalisierungsmitteln, sondern aus dem Landeshaushalt finanziert werden", sagt Schwarz weiter.

So kann es nicht weitergehen

Es müsse sich grundlegend etwas ändern, fordert Schwarz. "Wenn das Land immer mehr Geld für die Infrastruktur, also Stations- und Trassenpreise, ausgeben muss, bleibt für den Betrieb immer weniger übrig", befürchtet Schwarz. "Wir brauchen dringend strukturelle Änderungen bei der Deutschen Bahn. Dazu gehört für uns Grüne eine eigentumsrechtliche Trennung von Schienennetz und Bahnkonzern."

Darüber hinaus müsse sichergestellt werden, dass Gewinne aus dem Schienennetz nicht weiter zweckentfremdet für die Finanzierung der internationalen Mobilitäts- und Logistikaktivitäten verwendet werden können, sondern vollständig in das Schienennetz reinvestiert werden, sagt Schwarz abschließend.

Hintergrund

Die Verantwortung für den Schienenpersonennahverkehr ist in Deutschland mit der Bahnreform von 1994/1995 vom Bund auf die Länder übergegangen. Um ihre neue Aufgabe finanzieren zu können, erhalten die Länder seit 1996 jährlich einen bestimmten Betrag aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bundes. Dieses Geld nennt man Regionalisierungsmittel. Die Länder bestimmen dann, wo und in welchem Umfang sie das Geld für den Schienenpersonennahverkehr einsetzen.

Aktuell werden mit diesem Geld auch Planungs- und Baukosten für große Infrastrukturvorhaben, wie für die Südbahn, die Gäubahn, die Rheintalbahn und Stuttgart 21 finanziert. Die Regionalisierungsmittel sind in den vergangenen Jahren mehrfach von Kürzungen betroffen gewesen.

Foto "Regionalzug": Erich Westendarp