Mobilität
Radverkehr und Tourismus
Im Urlaub suchen viele Menschen einen körperlichen Ausgleich zum Bewegungsmangel im Alltag. Zugleich legen sie dabei immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit. Radreisen im eigenen Land liegen daher im Trend. Aber welche Bedeutung hat das Fahrrad aktuell für den Tourismusstandort Baden-Württemberg? Diese Frage diskutierten die Mitglieder des fraktionsübergreifenden Parlamentskreises Fahrrad BW am vergangenen Dienstag im Stuttgarter Landtag mit Radverkehrs- und Tourismusexpert*innen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das Fazit des Fachgremiums: Das Potential des Fahrrads für den Tourismus in Baden-Württemberg ist hoch, kann aber nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen und die Politik dafür den nötigen Rahmen steckt.
„Baden-Württemberg soll dauerhaft das attraktivste Radreiseland in Deutschland werden!“ stellt Hermino Katzenstein, Initiator des Parlamentskreises und fahrradpolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion, das in der RadSTRATEGIE formulierte Ziel der Landesregierung bei der Eröffnung der Veranstaltung vor. Dabei bringe das Land beste Voraussetzungen mit, denn die unterschiedlichen Regionen ermöglichen vielfältige Formen des Radtourismus - vom Familienausflug bis zur Gravel-Bike-Tour.
„Bei den Landesradfernwegen sind wir bereits Spitzenreiter“ berichtet Andreas Braun, Geschäftsführer der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW) im anschließenden Hauptreferat der Sitzung. Derzeit sind 20 der 21 Landesradfernwege als Qualitäts-Route mit drei, vier oder sogar fünf Sternen durch den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) ausgezeichnet - so viele wie in keinem anderen Bundesland. Vor Ort sei der TMBW aber immer auf eine „Koalition der Willigen“ angewiesen, um die Strukturen für den Radtourismus voranzutreiben. Dass der Tourismus im Land zu kleinteilig strukturiert ist, bestätigt auch Kathleen Lumma, Geschäftsführerin des ADFC Landesverbands Baden-Württemberg und fordert: „Wir brauchen eine gemeinsame Landesstrategie!“
Im Verlauf des Austauschs können weitere Stellschrauben für einen erfolgreichen Radtourismus identifiziert werden. Hierzu zählen ein einheitliches Marketingkonzept, ein zuverlässiger ÖPNV mit optimalen Möglichkeiten zur Fahrradmitnahme und eine bessere Datenerhebung, um die Wertschöpfungspotentiale des Radtourismus auch beziffern zu können. Zudem müssen aus Sicht der Fachleute Fördermöglichkeiten dringend an die örtlichen Gegebenheiten angepasst und Mittel längerfristig verstetigt werden. Einen anderen Blickwinkel bringt Radreiseveranstalter Simon Mink aus Konstanz am Bodensee in die Diskussion ein: „Nicht in Landesgrenzen, sondern in Destinationen denken.“ Eine gute Abstimmung mit unseren Nachbarn könne hier helfen, die Routenführungen für Radreisende zu vereinheitlichen. Die Parlamentarier*innen nehmen diese wichtigen Anregungen auf und wollen sie parteiübergreifend in ihre weitere Arbeit einspeisen.
Als Quintessenz des Abends unterstreicht Hermino Katzenstein MdL, wie wichtig eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren der Fahrrad- und Tourismusbranche ist - von der landespolitischen Ebene bis hin zum Radreiseunternehmen vor Ort. „Ein kontinuierlicher Austausch aller Beteiligten ist dringend notwendig, wenn wir die Potentiale des Radtourismus im Land auch nutzbar machen wollen“ resümiert Katzenstein und kündigt an, sich bei den verantwortlichen Landesministerien für die Etablierung einer regelmäßigen Konferenz mit Schwerpunkt Radtourismus stark zu machen.
Hintergrund zur 5. Sitzung des Parlamentskreis Fahrrad BW
Der Parlamentskreis Fahrrad ist nicht nur der erste seiner Art in Baden-Württemberg, sondern bundesweit der einzige in einem Landtag zum Thema Radverkehr. Der Parlamentskreis Fahrrad BW existiert bereits seit Anfang 2022 und hat es sich zum Ziel gesetzt, den Radverkehr als wichtige nachhaltige Mobilitätsform in die Mitte des Parlaments zu tragen, um eine breite Unterstützung über Fraktionsgrenzen hinweg zu erreichen. Der Kern des Forums, welcher aus Mitgliedern verschiedener im Landtag vertretenen Fraktionen besteht, kommt regelmäßig zusammen, um sich zu Belangen und Themen rund um das Fahrrad auszutauschen. Je nach Themensetzung wird der Kreis außerdem durch weitere Fachabgeordnete, verschiedene Ministeriumsvertreter*innen sowie durch externe Gäste erweitert. An der 5. Sitzung zum Thema Radtourismus haben folgende Gäste, Verbände und Unternehmen teilgenommen: Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e.V. (AGFK BW), Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e.V. (DEHOGA), Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH (NVBW), Radweg-Reisen GmbH, Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW) sowie die tourismuspolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen.