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Mehr Geld für den Schienenpersonennahverkehr

Die grün-rote Landesregierung stockt 2013 und 2014 die Regionalisierungsmittel, mit denen der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) finanziert wird, um insgesamt rund 170 Millionen Euro aus Landesmitteln auf. In einer ähnlichen Situation hatte die CDU vor Jahren Züge abbestellt. Die grün-rote Koalition mit Verkehrsminister Hermann und Finanzminister Schmid dagegen sichert das SPNV-Angebot mit eigenen Haushaltsmitteln. Dies geht aber nicht auf Dauer. „Baden-Württemberg braucht Verlässlichkeit bei der Finanzierung des Schienenpersonen­nahverkehrs. Der Bund muss seine Verantwortung tragen. Die vom Bund zugewiesenen Regionalisierungsmittel müssen genauso stark steigen wie die Infrastrukturkosten, denn Stations- und Trassenpreise unterliegen entscheidend dem Einfluss des Bundes und sind in den letzten Jahren überproportional gestiegen.“ erklären die Verkehrsexperten der Landtagsfraktionen, Hans-Martin Haller (SPD) und Andreas Schwarz (Grüne). Im Zuge der Bahnreform Mitter der 90er Jahre war die Zuständigkeit für den SPNV auf die Länder übergegangen. Seitdem erhalten die Länder die sogenannten Regionalisierungs­mittel, um Züge bestellen zu können. Die Regionalisierungsmittel wurden mehrfach gekürzt und werden seit 2009 mit 1,5% dynamisiert. Baden-Württemberg erhält 2013 vom Bund rund 750 Millionen Euro für den SPNV. Die Regionalisierungsmittel reichen allerdings nicht mehr aus, sodass das Land eigene Haushaltsmittel zuschießen muss, um alle Aufgaben im SPNV zu stemmen. Im Jahr 2013 sind dies rund 80 Mio. Euro, im Jahr 2014 werden es bereits knapp 100 Mio. Euro sein - Mittel, die für SPNV-Bestellungen frei wurden, weil Leistungen, die bislang – wie in anderen Bundesländern auch – aus Regionalisierungsmitteln bezahlt wurden, nun aus originären Haushaltsmitteln des Landes bezahlt werden, z.B. die Verbundförderung. Die Entwicklung der Mittel für den Schienenpersonennahverkehr in Baden-Württemberg verdeutlicht die Grafik „Ausgaben für den Schienenpersonennahverkehr“. Die Bestellung eines überwiegenden Teils der Schienenverkehre war von der Vorgängerregierung im sog. Großen Verkehrsvertrag ausgehandelt worden. Die lange Laufzeit und die steigenden Ausgaben belasten den Landeshaushalt. Einen Ausweg bieten lediglich Neuvergaben, die aber von der alten Regierung nicht rechtzeitig vorbereitet wurden. Hervorzuheben ist, dass zwischenzeitlich annähernd die Hälfte der, für die SPNV-Bestellung verwendeten Regionalisierungsmittel für Stations- und Trassennutzung verwendet werden müssen. Entwicklung der Stations- und Trassenpreise in Baden-Württemberg Ein wichtiger Grund für die Finanzierungslücke beim SPNV liegt in den stark steigenden Stations- und Trassenpreisen. Insgesamt haben sich die Ausgaben für das Land in den letzten drei Jahren nur durch Steigerungen bei den Stations- und Trassenpreisen um knapp 50 Mio. Euro erhöht. Die Stationspreise stiegen in den letzten Jahren in Baden-Württemberg überdurchschnittlich an – auch im Bundesvergleich. 2011 war es eine Steigerung von 14,8 % gegenüber dem Vorjahr, 2012 waren es 9,6 % und 2013 weitere 5 %. Einzelheiten können der Grafik entnommen werden. Ähnliches gilt für die Trassenpreise. Sie stiegen 2011 um 3,6 % gegenüber dem Vorjahr, 2012 um 7,2 % und 2013 um 3 % an.  Gewinnabführung der Deutschen Bahn an den Bund Die Deutsche Bahn AG verzeichnet nach 2011 auch in 2012 einen Rekordgewinn: Ihr Netto­gewinn stieg 2012 um knapp 11 % auf fast 1,5 Mrd. Euro, nachdem er bereits 2011 um über 25 % auf über 1,3 Mrd. Euro gestiegen war. Die stärksten Gewinnbringer waren wiederum Schienennetz und Bahnhöfe. Ein großer Teil des Gewinns, den die Deutsche Bahn im Regionalverkehr und über die Stations- und Trassenpreise generiert, landet letztendlich in der Kasse des Bundesfinanzministers. Das bedeutet, dass ein Teil der Regionalisierungs­mittel, die der Bund an die Länder überweist, auf diesem Weg wieder zurück an den Bund fließt. Durch den ungünstigen Großen Verkehrsvertrag trägt Baden-Württemberg einen hohen Anteil hieran. Bei der Abführung an den Bundeshaushalt geht es immerhin um rund eine halbe Milliarde Euro pro Jahr. Nach 500 Mio. Euro in den Vorjahren, waren es 2012 sogar 525 Mio. Euro. Das muss ein Ende haben. Diese Gelder müssen künftig für Erhalt und Ausbau der Schieneninfra­struktur bereitgestellt werden. Verteilung der Regionalisierungsmittel auf die Bundesländer

Regionalisierungsmittel im Bundesländervergleich:

Bundesland

Regionalisie-rungsmittel
Anteil in
Prozent 1993

Regionalisie-rungsmittel
Anteil in Prozent 2012

Veränderung
1993 - 2012

Bevölkerungs-
veränderung
1991 – 2008

Bevölkerungs-veränderung
Prognose 2025

Baden-Württemberg

11,59

10,44

- 1,15

+ 7,5 %

+ 2,3 %

Bayern

14,69

14,98

+ 0,29

+ 8,0 %

+ 2,5 %

Brandenburg

5,00

5,71

+ 0,71

- 0,8 %

- 7,0 %

Mecklenburg-Vorpommern

3,33

3,32

- 0,01

- 12,0 %

- 9,3 %

Nordrhein- Westfalen

17,99

15,76

- 2,23

+ 2,4 %

- 2,1 %

Sachsen-Anhalt

4,60

5,03

+ 0,43

- 15,6 %

- 13,9 %

Thüringen

3,95

3,99

+ 0,04

- 11,8 %

- 12,1 %

Hätte Baden-Württemberg im Jahr 2012 den gleichen Anteil an Regionalisierungsmitteln wie bei Inkrafttreten des Gesetzes zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (RegG) am 1. Januar 1996 erhalten, hätte das Land statt 739,6 Mio. Euro über 80 Mio. Euro mehr, nämlich 821,1 Mio. Euro, erhalten. Die Reform der Mittelzuteilung an die Länder 2006 hat die Flächenländer mit Bevölkerungs-wachstum deutlich benachteiligt. Ziel muss deshalb im Rahmen der anstehenden Revision der Regionalisierungsmittel im Jahr 2014 eine bedarfsgerechte Anpassung der Quote für Baden-Württemberg sein. Wachsende Fahrgast- und wachsende Bevölkerungszahlen müssen sich in den jeweiligen Länderquoten wiederspiegeln. Entwicklung der Fahrgastzahlen Die Fahrgastzahlen im SPNV haben sich in Baden-Württemberg in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Die Ergebnisse von Fahrgastzählungen zwischen 2002 und 2012 zeigen eine Zunahme von über 70 %. Fazit: Das Land springt trotz aller Widrigkeiten (u.a. Schuldenbremse) mit eigenen Haushalts­mitteln dort ein, wo der Bund seiner Verantwortung nicht gerecht wird und wo explodierende Trassen- und Stationspreise eine auskömmliche Finanzierung des SPNV nur aus Regionalisierungsmitteln – so wie eigentlich vorgesehen – nicht mehr zulassen. Die wirtschaftlichen und demographischen Rahmenbedingungen in Baden-Württemberg erfordern aber eine solide Finanzierungsgrundlage für den SPNV. Nach Abschluss der Neuvergaben, die ab 2016 beginnen, soll das SPNV-Angebot wieder ausschließlich aus Regionalierungsmitteln finanziert werden. Gleichzeitig hat sich die Lage bei der Finanzierung in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. Dies zeigt ein Vergleich der Kosten- und Finanzierungssituation: Mit der Basis im Jahr 2010 schlägt der Index bei den eingebrachten Landesmitteln exponentiell nach oben aus: Forderungen: Die geschilderten Fakten können nicht ignoriert werden. Die Landtagsfraktionen der GRÜNEN und der SPD haben daher eindeutige Forderungen: 1. Die vom Bund zugewiesenen Mittel müssen sich an den tatsächlichen Kosten orientieren. Haller und Schwarz: „Der Bund muss die Regionalisierungsmittel entsprechend der Steigerungen bei Stations- und Trassenpreisen sowie der sonstigen Kosten anpassen. Dies erfordert eine stärkere Dynamisierung als bisher.“ 2. Es muss eine bedarfsgerechte Verteilung der Regionalisierungsmittel zwischen den Ländern geben. stellen Haller und Schwarz fest. Und weiter: „Im Südwesten besteht durch die noch dynamischere Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung Nachhol­bedarf beim Schienenpersonennahverkehr. Der Verteilungsschlüssel spiegelt nicht die wirkliche Entwicklung der letzten Jahre wider.“ 3. Erlöse über Stations- und Trassenpreise muss die Deutsche Bahn wieder in das Netz investieren. Haller und Schwarz hierzu: „Es kann nicht sein, dass die Deutsche Bahn hiermit wesentliche Gewinne erzielt, diese dann aber nicht wieder in die Infrastruktur investiert, sondern über die Holding dem Bundesfinanzminister überweist.“