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Grüne diskutieren Schweizer Zuwanderungspolitik mit deutschem Botschafter in Bern

Ein Jahr nachdem die Schweiz mit einer äußerst knappen Mehrheit „Ja“ bei der Volksabstimmung zur Begrenzung der Zuwanderung gestimmt hat, haben Schweizer und baden-württembergische Grüne den aktuellen Stand der Dinge mit Dr. Otto Lampe, dem deutschen Botschafter in Bern, diskutiert.  Mit einem breiten Bündnis aus Arbeitgebern, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft hatten auch die Schweizer Grünen dafür geworben, an der bestehenden Zuwanderungspolitik festzuhalten, und die sogenannte Masseneinwanderungsinitiative abzulehnen. Die beschlossene Begrenzung der Zahl der Aufenthaltsbewilligungen für Ausländer in der Schweiz durch die Festlegung jährlicher Höchstzahlen und Kontingente ist nicht mit dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU vereinbar. Andreas Schwarz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg sagte: „Wir bedauern die Zustimmung zur Masseneinwanderungsinitiative sehr. Zwischen der Schweiz und Baden-Württemberg gibt es vielfältige soziale, wirtschaftliche und touristische Verknüpfungen und eine von Freundschaft geprägte Geschichte. Über eine Einschränkung der Personenfreizügigkeit verhandeln wir aber genau so wenig wie die EU“. Zwar hat die Regierung der Schweiz noch knapp zwei Jahre Zeit, die von der nationalkonservativen Schweizer Volkspartei (SVP) initiierte Masseneinwanderungsinitiative komplett umzusetzen und mit der EU Einigkeit zu erzielen. Aber alle bisher diskutierten Umsetzungskonzepte wurden von der EU abgelehnt. Regula Rytz, Nationalrätin und Co-Präsidentin der Schweizer Grünen, sagte: „Eine Anpassung des Freizügigkeitsabkommen erachtet die EU als nicht verhandelbar. Die Schweiz könnte das Abkommen kündigen. Dies hätte aber unmittelbar die Kündigung von sechs weiteren bilateralen Abkommen unter anderem über den Luftverkehr, den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Straße, den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, sowie über die wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit. Das ist nicht im Interesse der Schweiz und würde unser Land in eine schädliche Isolation drängen.“ Dr. Otto Lampe, deutscher Botschafter in Bern, betonte, dass Deutschland der wichtigste Handelspartner der Schweiz ist und erfolgreiche wirtschaftliche Beziehungen nur mit der Freizügigkeit von Personen aufrecht zu erhalten sind. Wie also weiter? Ein Ausweg aus dem aktuellen Dilemma könnte nach Einschätzung sowohl der baden-württembergischen als auch der Schweizer Grünen sein, mit einer zweiten Volksabstimmung den bilateralen Weg zu sichern. „Damit würde die SVP-Initiative in ihrem Kernbereich hinfällig. Was aber bestehen bliebe, wäre der Druck auf innenpolitische Reformen im Arbeitsmarkt. Hier geht es zum Beispiel um mehr Aus- und Weiterbildung oder Maßnahmen zum Schutz von älteren Arbeitnehmenden. Da haben wir in der Schweiz großen Nachholbedarf, so Rytz. Die grün-grüne Zusammenarbeit über die Grenze hinweg wird mithelfen, gute Lösungen zu finden. Auch für Josha Frey, europapolitischer Sprecher der Fraktion Grüne im Landtag, steht fest, dass sowohl Baden-Württemberg als auch die Schweiz zu den Regionen gehören, die bisher am stärksten von dem grenzüberschreitenden Austausch und der EU profitiert haben –sowohl historisch wie aktuell. Statt wie die SVP irrationelle Ängste zu schüren, stünde es daher in allseitigem Interesse in Wirtschaft, Politik und Bevölkerung nochmals nachdrücklich für ein Weiterführen der bisherigen Erfolgsgeschichte zu werben und diese auch weiterzuschreiben. „Wer die Brücken eines zusammenwachsenden Europas einreißt, nimmt auch den Weg für die eigenen Menschen und Güter – das kann den traditionellen Handelsregionen auf beiden Seiten des Rheines nur Schaden“, so Josha Frey. Die Losung für die Schweiz könnte daher nur die gleiche sein, wie sie auch für die Mitgliedsstaaten der EU gilt: „Die Einheit in Vielfalt kann nur gelingen, wenn wir Grenzwiderstände zwischen der Schweiz und Baden-Württemberg abbauen und Menschen aller Kulturen einen leichten Einstieg in unsere Gesellschaften ermöglichen. Dies war der Garant für unsere kulturelle, wirtschaftliche und wissenschaftliche Prosperität in der Vergangenheit und ist aus meiner Sicht auch der Schlüssel für eine gemeinsame erfolgreiche Zukunft.“