Demokratie und Mitbestimmung | Finanzen und Haushalt | Integration und Flüchtlinge | Rubriken | Wirtschaft und Arbeit | Bauen und Wohnen | Digitales, Datenschutz und Medien | Gesundheit und Pflege | Sicherheit und Justiz | Kunst und Kultur | Artikel-Typ

"Wir begreifen den öffentlichen Dienst als Dienst an der Öffentlichkeit"

Wo werden Sie Ihren Urlaub verbringen? Edith Sitzmann: Ich fahre, genau wie mein Kollege Claus Schmiedel von der SPD, nach Spanien. Wir werden uns aber nicht treffen. Spanien ist ja groß.   Vor der Sommerpause wurden noch eine Reihe von Gesetzesentwürfen vorgelegt beziehungsweise verabschiedet. Sind Sie jetzt sehr urlaubsreif? Nein. Die Anfangsphase dieser Legislaturperiode fand ich anstrengender als die Phase, in der wir jetzt sind. Wir haben ja schon viel auf den Weg gebracht. Die paar Punkte, die noch offen sind, arbeiten wir jetzt noch Schritt für Schritt ab. Dazu zählt auch das Informationsfreiheitsgesetz. Es hat lange gedauert, bis der Entwurf nun vor der Sommerpause vorlag. Die Grünen hatten ursprünglich weitreichendere Pläne. Sind Sie mit dem erzielten Kompromiss persönlich zufrieden? Ja. Ich finde es ist ein guter und wichtiger Schritt, dass wir auch in Baden-Württemberg ein Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg bringen, das deutlich macht, dass der öffentliche Dienst ein Dienst für die Öffentlichkeit ist. Wer einen Anspruch auf Informationen hat und sich mit seinen Fragen ernst genommen fühlt, hat mehr Vertrauen in die Verwaltung. Dennoch wird kritisiert, dass das Gesetz nicht der große Wurf sei und hinter dem des Bundes zurück bleibt. Wir machen mit diesem IFG einen großen Schritt. Letztendlich ist es immer ein Austarieren unterschiedlicher Interessen. Es ist Aufgabe der Regierung, einen Entwurf vorzulegen, mit dem alle Beteiligten leben können. Weiterentwickeln kann man das Gesetz in der nächsten Legislaturperiode allemal, sobald erste Erfahrungen gesammelt wurden. Mehr direkte Demokratie war eines der großen Wahlkampfthemen der Grünen. Einen Konsens mit allen Fraktionen hatte man bereits Ende 2013 erzielt. Warum hat es nun so lange gedauert, bis der Gesetzentwurf zur Änderung der Gemeindeordnung kam? Wir setzen das, was  wir versprochen haben,  in dieser Legislaturperiode um. Dazu gehört auch mehr direkte Demokratie auf Landes- und auf Kommunalebene. Nach der Einigung mit den anderen Fraktionen zur Absenkung der Quoren haben wir Gespräche mit Städte- und Gemeindetag zu den übrigen Änderungen geführt, die die Rechte des Gemeinderats stärken sollen. Mit dem Städtetag sind wir auch zu einem guten Ergebnis gekommen. Solche Verhandlungen brauchen ihre Zeit. Den Gemeindetag konnten Sie aber von Ihren Plänen nicht überzeugen. Der Gemeindetag wollte außer der Senkung der Quoren keine weiteren Änderungen an der Gemeindeordnung. Da konnten wir leider nicht mitgehen. Es ist bedauerlich, dass der Gemeindetag nicht bereit war, mit uns ein gemeinsames Verhandlungsergebnis zu erzielen. Ein Thema, das Landespolitik und Kommunen beschäftigt, sind die Flüchtlinge. Weitere 10 000 Erstaufnahmeplätze sind beim Flüchtlingsgipfel im Juli beschlossen worden. Wird das ausreichen? Das können wir nicht mit Sicherheit sagen. Zuständig für die Prognosen ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Bisher waren für 2015 52.000 Flüchtlinge für Baden-Württemberg angekündigt. Diese Zahl hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière aktuell auf bis zu 100.000 Menschen erhöhen müssen. Wir bauen vor, indem wir weitere Erstaufnahmeplätze schaffen und für eine ordentliche Unterbringung und Sozialberatung sorgen. Dass der Ministerpräsident nun schon zum zweiten Mal einen Flüchtlingsgipfel einberufen hat, bei dem alle relevanten Akteure am Tisch saßen, ist in der Republik einmalig und vorbildlich. Um die Verfahren deutlich zu verkürzen, wurde auch die Regelung der sicheren Herkunftsländer eingeführt. Der Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer von den Grünen hat nun weitere sichere Herkunftsländer gefordert. Wie stehen Sie dazu? Fakt ist, dass die Ministerpräsidenten im vergangenen Jahr einstimmig beschlossen haben, dass evaluiert werden muss, ob die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer eine relevante Entlastung bringt. Diese Evaluation liegt von Bundesseite bisher nicht vor. Es gibt allerdings  Hinweise, dass es durch sichere Herkunftsländer nicht  zu einer relevanten Beschleunigung der Verfahren kommt. In einem Gutachten hieß es, dass sich die Bearbeitungsdauer der Asylanträge nur um zehn Minuten verringert hätte. Wurde denn das Ziel erreicht, dass nicht mehr so viele Menschen aus sicheren Herkunftsländern kommen? Hier sind die Zahlen sehr unterschiedlich. Bei manchen Ländern ist die Zahl der Flüchtlinge zurückgegangen, bei anderen ist sie sogar gestiegen. Wir sollten unsere Entscheidungen deshalb auf der Basis von Fakten treffen und nicht weil die Forderung nach sicheren Herkunftsländern gerade im politischen Raum populär ist. Gibt es für Sie eine Grenze bei der Flüchtlingsaufnahme? Die deutschen Gesetze sehen keine Grenze vor, sondern definieren politische Verfolgung als Asylgrund. Allerdings lässt die europäische Flüchtlingspolitik sehr zu wünschen übrig. Wir haben ein Verteilproblem in Europa. Wir haben einzelne Länder wie Italien und Griechenland, die vollkommen überfordert sind, weil viele Flüchtlinge versuchen über das Mittelmeer nach Europa zu kommen. Auf der anderen Seite haben wir Länder, die alles tun, damit Flüchtlinge nicht zu ihnen kommen. Europa muss sich mit der Flüchtlingspolitik  intensiv auseinandersetzen und eine Neubestimmung vornehmen. Wie sehen Sie denn die Chancen, die Kommunikation mit dem Beamtenbund künftig zu verbessern? Die grüne Fraktion war immer im Dialog mit der Beamtenschaft und den Beschäftigten. Es stehen  noch zwei wichtige Projekte an, mit denen wir deutlich machen, dass wir die Arbeit unserer Beschäftigten wertschätzen und unterstützen. Das wären? Zum einen das Jobticket für die Landesbediensteten. Wer den ÖPNV nutzt erhält ab dem kommenden Jahr einen Bonus von 240 Euro. Außerdem werden wir noch ein Stellenhebungsprogramm auflegen. Damit leisten wir einen Beitrag, um den Beförderungsstau abzubauen. Mit diesen beiden Projekten, in die wir 30 Millionen Euro investieren, zeigen wir, dass wir wissen, dass wir auf gute und motivierte Landesbeschäftigte angewiesen sind. Grün-Rot hat in dieser Legislaturperiode vieles angestoßen. Was muss in der nächsten Legislaturperiode angegangen werden? Wir werden in der Partei ein Wahlprogramm erarbeiten und das auf einem Parteitag verabschieden. Das ist Aufgabe der Partei und nicht der Fraktionsvorsitzenden. Aber für mich persönlich ist es wichtig, dass in der Bildungspolitik die Grundschulen weiter gestärkt werden. Denn je besser die Basis in der Grundschule ist, umso einfacher wird es für die Schüler auf der weiterführenden Schule. Die Fragen stellte Stefanie Schlüter, stv. Chefredakteurin des Staatsanzeigers Baden-Württemberg