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"Nur Papst sein ist schöner"

In den USA erregte vor nicht allzu langer Zeit eine große Modekette Aufsehen mit einer T-Shirt-Kollektion, die mit dem Slogan „Voting is for old people“ (Wählen ist was für alte Leute) bedruckt war. Auch hierzulande hat sich der Eindruck eingestellt, dass Politik und junge Menschen fremdeln. Die Resonanz auf das Angebot unserer Abgeordnetenbüros, ein berufsorientierendes Praktikum (BOGY) zu machen, spricht allerdings einer anderen Sprache. Die Schülerinnen und Schüler gaben sich sehr interessiert am Betrieb des Landtages. Mit Uli Sckerl, dem parlamentarischen Geschäftsführer unserer Fraktion, spielten sie Ping-Pong zu den Themen, die beide Seiten besonders reizten. Wie steht es um das Ansehen der Politik bei den Menschen? Schülerin: „Das ist meiner Meinung nach schon hoch. Uns geht es ja gut in Deutschland. So schlecht können die Politiker ihre Sache ja nicht machen“ Wie arbeiten Politiker in einer Koalition, um dieses gute Bild zu rechtfertigen? Sckerl: „Nach außen müssen wir so harmonisch wie möglich agieren. Natürlich gibt es Unterschiede und Streit, sonst bräuchte man ja auch nicht zwei Parteien. Was wir am Ende durchsetzen, müssen wir vorher gut abwägen und ausdiskutieren. Es ist ja Machtausübung und gilt dann für alle. Bis es soweit ist, müssen sich alle einbezogen fühlen. Die Abgeordneten sind schließlich alle Individuen mit ihrem eigenen Kopf und keine Automaten, die sich auf eine bestimmte Linie haben programmieren lassen.“ Ist Politik ein attraktiver Beruf? Schüler: „Wir kriegen in den Abgeordnetenbüros ja mit, was die so alles machen und wie viele Termine an unterschiedlichen Orten sie wahrnehmen. 50 bis 60 Stunden pro Woche und viele blockierte Wochenende - das wäre mir zu viel Stress. Wahrscheinlich geht das nur, wenn man sich für sein Thema total begeistert.“ Sckerl: „Nur Papst sein ist schöner. Nein, im Ernst: Ich finde es schön, gestalten zu können. Ich gehöre ja noch zur Gründergeneration der Grünen. 30 Jahre lang konnten wir nur von den Oppositionsbänken kritisieren, was die anderen machen. Auch das hat Veränderungen bewirkt, aber jetzt selbst in der Verantwortung zu sein und umsetzen zu können, wofür man einsteht, das ist eine tolle Erfahrung. Dafür nehme ich die Belastung gerne in Kauf.“ Schüler: „Ich sitze im Jugendgemeinderat und nehme wahr, dass das politische Interesse eher gering ist. Wir haben z.B. erreicht, dass das scool-Abo im Verkehrsverbund Stuttgart für das ganze Netz gilt und man überall hinkommt. Das wissen aber nur wenige. Es ist halt schwierig zu vermitteln, was man überhaupt bewegen kann.“ Wie schauen junge Menschen auf die Grünen? Nach Schlagworten gefragt, die den Bogy-SchülerInnen zur Partei in den Sinn kommen, fallen vor allem die klassischen Umweltschutz-Begriffe – vom nostalgischen „Baumknutscher“ über die allgemeine Nachhaltigkeit bis hin zur „Energiewende“. Auch mit der Gleichberechtigung von Frauen und Minderheiten wie Homosexuellen werden die Grünen identifiziert. Sowohl Klischeethemen („Verbotspartei“) oder regional wichtige Konflikte („Stuttgart 21“) nennen sie erst auf Nachfrage, in der Bedeutung rangieren sie unter ferner liefen. Schüler: „Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass wir im Unterricht fast nie über Landespolitik sprechen, aber sehr viel über andere Länder und Außenpolitik.“ Die Landtags-Grünen sammeln dafür nach einer Woche Reinschnuppern in den parlamentarischen Betrieb klare Sympathiepunkte. Schülerin: „Die Leute machen hier einen netten und entspannten Eindruck. Wir waren auch kurz bei der CDU oben, da sehen sie viel steifer aus und es stinkt auf dem Flur nach Rauch“