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Für Offenheit, Toleranz und Wertschätzung in Baden-Württemberg

Regenbogenfarben bei einer Demo für einen Aktionsplan für ein tolerantes, buntes und vielfältiges Baden-Württemberg.

©Thomas Niedermüller/dpa

Die seit Jahresbeginn kontrovers diskutierten Arbeitspapiere zum Bildungsplan 2015 waren am Dienstag auch Thema der Sitzung der grünen Landtagsfraktion. Anlass für die Grünen waren die im Internet veröffentlichte Petition zum Bildungsplan und die teilweise besorgniserregenden Reaktionen darauf. Mit einem einstimmig gefassten Beschluss bekräftigen die Grünen die Absichten der grün-roten Regierungskoalition. Die Fraktion unterstützt die Landesregierung bei ihrem Bemühen um zeitgemäße, den Zielen der Landesverfassung entsprechende Formulierungen im Bildungsplan, um Offenheit, Respekt und Akzeptanz sexueller Vielfalt zu fördern. Edith Sitzmann, Fraktionsvorsitzende der grünen Landtagsfraktion: "Die Akzeptanz sexueller Vielfalt gehört mit zu den Grundprinzipien einer pluralen Gesellschaft. Die jüngsten Äußerungen des FDP-Fraktionsvorsitzenden Rülke über wertvolle und weniger wertvolle Lebensformen zeigen, wie notwendig diese Debatte ist. Die Äußerungen von CDU-Vertretern, die sich um eine klare Stellungnahme drücken, als auch die Unterstützung der Onlinepetition durch die AfD zeigen: Es gibt noch viel zu tun. Wir Grünen werden auch in Zukunft engagiert für Aufklärung und den Abbau von Vorurteilen sorgen." Bildungsplan 2015 - Akzeptanz sexueller Vielfalt (an Schulen) stärken Beschluss der Fraktion Grüne Wir Grünen setzen uns dafür ein, dass im Rahmen der anstehenden Bildungsplanreform 2015 pädagogische Möglichkeiten ausgelotet und genutzt werden, die geeignet sind, an Schulen ein Klima der Offenheit, des Respekts und der Akzeptanz im Kontext einer vielfältigen Gesellschaft zu stärken. Die Bildungspläne werden im etwa zehnjährigen Rhythmus regelmäßig überarbeitet. Die derzeitigen Bildungspläne aus dem Jahr 2004 müssen überarbeitet werden, weil die Standards der Kultusministerkonferenz nicht durchgängig berücksichtigt sind. Auch soll die Durchlässigkeit und damit die Wechselmöglichkeit zwischen Bildungsgängen verbessert werden. Inhaltlich sollen neue didaktische Erkenntnisse eingepflegt und z.B. die Medienkompetenz als Querschnittsaufgabe gestärkt werden. Im Blick auf die Akzeptanz gegenüber verschiedenen sexuellen Orientierungen geht es uns darum, das Schweigen zu durchbrechen und aufzuklären, sodass die gesellschaftliche Realität sich auch im Schulalltag, den Lehrmaterialien und Bildungsplänen widerspiegelt. Bereits in unserem Koalitionsvertrag "Der Wechsel beginnt" haben wir festgelegt: "Aufklärung und Sensibilisierung sind entscheidend, um zu Verständnis und gegenseitiger Wertschätzung zu gelangen. Wir werden baden-württembergische Schulen dazu anhalten, dass in den Bildungsstandards sowie in der Lehrerbildung die Vermittlung unterschiedlicher sexueller Identitäten verankert wird." In den meisten anderen Bundesländern ist das Thema sexuelle Orientierung in diesem Sinne bereits Bestandteil der Bildungspläne. Die Reaktionen von CDU und FDP zeigen eindrücklich, wie wichtig der Regierungswechsel 2011 für die Entwicklung eines weltoffenen und toleranten Baden-Württemberg war und ist. Die von Teilen der evangelischen und katholischen Kirchen vorgebrachten Argumente, die Jugendlichen würden dadurch in ihrer sexuellen Identität beeinflusst, sind nicht nachvollziehbar (vgl. Pressemitteilung der vier großen Kirchen in Baden-Württemberg vom 10.01.2014). Bislang wird in den Bildungsplänen und -mitteln eine vermeintliche Normalität der ausschließlichen Heterosexualität konstruiert, die der gelebten gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht entspricht, und in der sich ein nicht zu vernachlässigender Anteil der Jugendlichen nicht wieder findet.
Dies wollen wir ändern. Anstelle von Ausgrenzung und Diskriminierung sollen Akzeptanz und Respekt in die Klassenzimmer einziehen. Hierbei geht es um Aufklärung und keinesfalls um "Umerziehung". 5 bis 13 Prozent aller jungen Menschen entwickeln eine gleichgeschlechtliche oder bisexuelle Orientierung. Umfragen zufolge erleben diese Jugendlichen an Schulen Vorurteile, Diskriminierung und Mobbing, die eindeutig auf ihre sexuelle Orientierung zurückzuführen sind.
Für die betroffenen Jugendlichen hat dies weitreichende Konsequenzen. Nicht zuletzt ist der Anteil an Selbsttötungen unter diesen Jugendlichen signifikant höher als unter den gleichaltrigen Vergleichsgruppen.
Eine Studie der Humboldt Universität Berlin (8/2012) belegt den großen Einfluss von Lehrkräften auf das Verhalten von Schüler/innen: Je mehr die Schüler/innen über verschiedene sexuelle Identitäten wissen und je häufiger dies im Unterricht thematisiert wird, desto höher ist die Akzeptanz und Solidarität unter Jugendlichen. Die Bildungsplanreform 2015 sieht nach heutigem Stand des Arbeitspapiers der Bildungsplankommission die Verankerung von fünf Leitprinzipien vor: 

  1. Berufliche Orientierung
  2. Bildung für nachhaltige Entwicklung
  3. Medienbildung
  4. Prävention und Gesundheitsförderung
  5. Verbraucherbildung

Diese Leitprinzipien sollen fächerübergreifend vermittelt werden. Die Umsetzung dieser Prinzipien in den einzelnen Fächern wird von den Bildungsplankommissionen erarbeitet.
Das Kultusministerium hat am 18.11.2013 ein Arbeitspapier zur Verankerung der Leitprinzipien vorgelegt, in dem auch Vorschläge zur Förderung der Akzeptanz sexueller Vielfalt enthalten sind. Da es sich um ein Arbeitspapier handelt ist es selbstverständlich, dass bei Inhalt und Struktur des Papiers noch Änderungsbedarf besteht, ohne dabei das Grundanliegen aus dem Blick zu verlieren. Wir Grüne stehen dafür, dass in Baden-Württemberg Menschen jeden Geschlechts, jeder sexuellen Orientierung, jeder Abstammung, Sprache, Heimat und Herkunft und jeden Glaubens und Menschen mit Behinderungen Offenheit, Toleranz und Wertschätzung erfahren.