Soziales und Gesellschaft

"Pflege als Unterstützung im Alter wird in Zukunft weit mehr sein als heute"

Ein Interview mit unserer pflegepolitischen Sprecherin Bärbl Mielich. Sie vertritt die grüne Fraktion als Ob-Frau in der Enquetekommission Pflege. Wie stellt sich die Situation der Pflege in Baden-Württemberg aktuell dar? Wir unterscheiden bei ambulanten Diensten zwischen der Krankenpflege im Krankenhaus, der Altenpflege im Pflegeheim und der Pflege Zuhause. Besonders prekär ist die Lage der ambulanten Pflegedienste in der häuslichen Krankenpflege, da sie die Auswirkungen einer jahrelangen chronischen Unterfinanzierung am deutlichsten spüren. Hier müssen sowohl der Bund finanziell als auch das Land strukturell aktiv werden, denn gerade die häusliche Krankenpflege stellt einen unverzichtbaren Bestandteil der Gesundheitsversorgung im Land dar. Auch die Personalsituation in den Krankenhäusern ist problematisch: Die Fallpauschalen bilden die Personalkosten nicht ausreichend ab. Um dennoch wirtschaftlich zu sein, werden Personalstellen gestrichen. Es braucht dringend eine gesetzliche Mindestpersonalverordnung, die wir im Bundesrat fordern werden. Die meisten Menschen, auch demenziell erkrankte, wünschen sich, möglichst lange zu Hause zu leben. Betreuungsstrukturen und auch die Qualifikation der Fachkräfte muss dem entsprechen. Wir brauchen einen Mix an Qualifikationen sowohl in den Pflegeheimen als auch in der ambulanten Betreuung. Die Personalsituation in den Krankenhäusern ist ebenso miserabel. Zu viele Krankenhäuser haben Personalstellen gestrichen, um ihre wirtschaftlichen Defizite zu verringern. Die wiederum speisen sich aus der Unterfinanzierung der Fallpauschalen, denen alle Kliniken unterworfen sind. Ein hoch komplexes Thema, das wir in der Enquetearbeit vertiefen müssen. In der Altenpflege wird es zunehmend Menschen mit Demenz geben. Sie wollen so lange wie möglich zu Hause leben. Betreuungsstrukturen und auch die Qualifikation der Fachkräfte muss dem entsprechen. Wir brauchen einen Mix an Qualifikationen sowohl in den Pflegeheimen als auch in der ambulanten Betreuung. Welche Einflussmöglichkeiten hat die Landespolitik in diesem Bereich? Das Land kann über den Bundesrat Einfluss auf die Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Pflegeversicherung nehmen. Dazu gehört vor allem die Ausweitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs um eine seelischen Betreuung neben der physischen Pflege. Auf Landesebene haben wir die Hoheit über das Ordnungsrecht. Mit dem neuen Wohn-,Teilhabe- und Pflegesetz wollen wir, Kommunen und Bürgergemeinschaften vor allem darin unterstützen, eigene kleine Wohngruppen für Menschen mit Unterstützungsbedarf einzurichten. In der häuslichen Krankenpflege ist es uns gelungen, gemeinsam mit den ambulanten Diensten und den Krankenkassen ein Modell auf den Weg zu bringen, dass die Versorgung Kranker deutlich erleichtert und Kosten spart. Welche Schwerpunkte möchten die Grünen in der Enquetekommission setzen? Der Pflegebegriff wird sich wandeln. Pflege wird in Zukunft mehr als bisher von einer aktiven Bürgergesellschaft geleistet werden und stark auf Netzwerke setzen müssen. Auf Landesebene werden wir das durch entsprechende Strukturen unterstützen. Für die ambulante medizinische Versorgung gerade auf dem Land braucht es Versorgungsteams bestehend aus MedizinerInnen und Heilberufen, die auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Basis hierfür könnten die gut funktionierenden Sozialstationen sein. Für neue Strukturen brauchen wir auch neue Berufsabschlüsse: Wir wollen einen Teil der Gesundheitsberufe mit Primärstudiengängen ausbilden. Dazu werden wir in den nächsten Jahren ein Konzept entwickeln.