Soziales und Gesellschaft

"Mit uns geht die Gleichstellung weiter"

Foto: dpa

Seit 1979 gibt es ihn schon, den CSD in Deutschland. Gemeinsam wird in diesem Jahr auch in Stuttgart wieder für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, intersexuellen und queeren Menschen demonstriert. Der CSD 2016 steht unter dem Motto "Sichtbarkeit". Wir haben unsere Sprecherin für Belange von LSBTTIQ Brigitte Lösch befragt, was die Landesregierung hinsichtlich Gleichstellung und Sichtbarkeit plant.  Der diesjährige Christopher Street Day steht unter dem Motto „Sichtbarkeit“? Was hat die Landesregierung bisher für die Sichtbarkeit der Belange von LSBTTIQ*-Menschen getan? Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat mit seiner Unterschrift 2012 den Beitritt Baden-Württembergs zur Charta der Vielfalt besiegelt. Damit haben wir uns gemeinsam verpflichtet, niemanden aufgrund seiner sexuellen Orientierung oder Identität auszugrenzen. Bereits 2011 wurde das Verfahren zur Eintragung der Lebenspartnerschaft vereinheitlicht und vereinfacht. Auch die vollständige Gleichstellung von Beamt*innen in eingetragenen Lebenspartnerschaften mit verheirateten Beamt*innen haben wir durchgesetzt. In den letzten Jahren haben wir außerdem zusammen mit Betroffenen und interessierten Bürger*innen viel Zeit und Arbeit in die Erstellung eines Aktionsplans Akzeptanz und gleiche Rechte gesteckt und in Sachen Sichtbarkeit viele Umsetzungsmöglichkeiten erarbeitet. So wollen wir informieren, Diskriminierungen abbauen und die rechtliche Gleichstellung fortführen. Den Aktionsplan haben wir im letzten Jahr verabschiedet. Die Grünen regieren nun nicht mehr mit der SPD, sondern mit der CDU. Diese hat noch vor nicht allzu langer Zeit unter anderem eine Rückabwicklung des Aktionsplans gefordert. Was bedeutet das nun für die Gleichstellungspläne? Das stimmt. Grüne und CDU haben in Baden-Württemberg in dieser Hinsicht nicht immer für dieselben Ziele gekämpft. Die Auseinandersetzungen haben sich aber häufig schlichtweg an Begrifflichkeiten entfacht. Ein Beispiel: So hat sich die CDU zum Beispiel vor allem an dem Begriff „Gender“ gestört. Im Koalitionsvertrag sprechen wir deshalb von „Geschlechtergerechtigkeit“. Mit dem Verzicht auf Reizwörter kommen wir dem Koalitionspartner entgegen. Inhaltlich kommt es aber nicht zu Abstrichen, denn mit uns wird es keine Rückabwicklungen geben. Das gilt sowohl für den Aktions- als auch für den Bildungsplan. Es gab eine kontroverse Diskussion um den Bildungsplan mit dem Vorwurf der „Frühsexualisierung“ der Kinder. Das ist nachweislich falsch. Auch die neue CDU-Kultusministerin Susanne Eisenmann hat das bestätigt. Unter der Leitperspektive „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ geht es im neuen Bildungsplan um Respekt und gegenseitige Achtung. Die Wertschätzung von Verschiedenheit und die Sichtbarkeit von LSBTTIQ-Menschen soll gefördert werden, um Diskriminierung und Vorurteile zu beseitigen. Im neuen Koalitionsvertrag ist auch von der Aufarbeitung des Paragraphen §175 die Rede. Was ist hier geplant? Die geschichtliche Aufarbeitung des sogenannten „Schwulen-Paragraphen“ ist eine Herzensangelegenheit für mich. Der Paragraph hat homosexuelle Handlungen zum Teil bis ins Jahr 1994 hinein strafbar gemacht hat und damit zahlreiche Menschen in die gesellschaftliche Isolation getrieben. Allein in Baden-Württemberg gab es mehrere Tausend Verurteilungen, die nie aufgehoben wurden. Keines der Opfer wurde rehabilitiert. Es ist unsere Aufgabe, uns im Namen des Landes bei den Menschen zu entschuldigen und ihre strafrechtliche Verfolgung aufzuarbeiten. Wir haben deshalb in Kooperation mit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, der Universität Stuttgart, dem Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, dem Sozialministerium sowie dem Wissenschaftsministerium ein umfangreiches Forschungsprojekt gestartet. Hierbei geht es um verschiedene Projekte, die zum einen die Lebenswelten und die Verfolgungsschicksale von LSBTTIQ- Menschen betreffen und zum anderen die  staatliche Repression und Verfolgung nach § 175 untersuchen. Das erste Teilprojekt ist bereits angelaufen, hierzu werden auf den Seiten des Sozialministeriums die Ergebnisse noch dieses Jahr auf einem entsprechenden Web- und Internetportal veröffentlicht.  * LSBTTIQ = lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, transgender, intersexuell und queer