Rubriken | Demokratie und Mitbestimmung | Wirtschaft und Arbeit | Bauen und Wohnen | Digitales, Datenschutz und Medien | Gesundheit und Pflege | Sicherheit und Justiz | Kunst und Kultur | Artikel-Typ

„Keine Freiheit ohne Sicherheit, keine Sicherheit ohne Freiheit“

Grüne setzen in der Innenpolitik auf eine bürgernahe Polizei.

©Matthias Balk/dpa

Welche Schwerpunkte setzen die Grünen auf dem Feld der inneren Sicherheit? Uli Sckerl: Wir sind überzeugt: Es gibt keine Freiheit ohne Sicherheit und keine Sicherheit ohne Freiheit. Wir wollen daher einen Staat, der seine Bürgerinnen und Bürger vor Bedrohungen schützt. Für ein starkes Sicherheitsgefühl ist es gleichzeitig notwendig, dass der Staat keine Black Box ist. Die Menschen sollen transparent nachvollziehen können, wie öffentliche Institutionen arbeiten. Das ist ihr Bürgerrecht. Auf die gesamte Verwaltung bezogen haben wir das mit dem Informationsfreiheitsgesetz deutlich gestärkt. Jeder Bürger, jede Bürgerin kann dann bei der Verwaltung des Landes oder einer Kommune eine Auskunft verlangen – und die Behörde muss die Informationen zeitnah bereitstellen.
Die Aufsicht über das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) haben wir durch ein neu eingerichtetes Parlamentarisches Kontrollgremium (PKG) gestärkt. Zu dieser Reform gehört auch, dass sich Mitarbeiter des Verfassungsschutzes direkt an das PKG wenden können. Mit dem gleichen Ziel haben wir einen Bürgerbeauftragten beim Landtag installiert. Er oder sie wird nicht nur bei Problemen von BürgerInnen mit Ämtern vermitteln. Auch für die Landespolizei wird die Stelle umfassend zuständig sein. Mit Anregungen zur Arbeit der Landespolizei oder Beschwerden über Fehlverhalten können sich die BürgerInnen direkt an sie oder ihn wenden. Genauso können auch PolizistInnen interne Missstände direkt beim Parlament zur Sprache bringen. Die oder der Bürgerbeauftragte ist ein wertvoller Beitrag zu einer bürgernahen Polizei. Zu dieser Augenhöhe gehört für uns auch eine anonymisierte Kennzeichnung bei Großeinsätzen nach dem Vorbild der vielen Bundesländer, die dies schon haben. Das streben wir weiterhin an. Denn wir glauben, dass transparent arbeitende Sicherheitsbehörden mit einer entsprechenden Fehlerkultur sich besser und schneller auf neue Herausforderungen und Aufgaben einstellen. Welche Herausforderungen sind das? Die Anschläge in Frankreich haben gezeigt, dass es eine abstrakte, aber nichtsdestotrotz hohe Gefahr durch islamistischen Terrorismus gibt. Unsere Behörden haben eine niedrige zweistellige Zahl von sogenannten islamistischen Gefährdern auf dem Schirm – hauptsächlich radikalisierte Rückkehrer aus den Kriegsgebieten in Syrien und im Irak. Wir haben ganz gezielt Sicherheitspakete auf den Weg gebracht, mit denen vor allem die Polizei sowie Justiz und Verfassungsschutz personell und technisch gestärkt werden. Wir investieren, um die Ausrüstung der Polizei zu verbessern und um genau die SpezialistInnen zu gewinnen, die wir für den Schutz vor Terror brauchen.
Das entspricht auch der Grundlinie, die Grün-Rot seit Anbeginn verfolgt hat: Wir schauen uns genau an, welche Strukturen am besten geeignet sind, um für aktuelle und kommende Herausforderungen gewappnet zu sein. Das ist auch der Gedanke hinter der Polizeistrukturreform, die 2014 in Kraft getreten ist. Vier Landespolizeidirektionen und 37 Polizeipräsidien haben wir dabei zu insgesamt zwölf regionalen Polizeipräsidien verschmolzen. Durch den Wegfall einer Verwaltungsebene haben wir die Hierarchien verschlankt. Einsatzaufgaben, die Aus- und Fortbildung und die Polizeitechnik haben wir gebündelt. Damit haben die Reviere vor Ort mehr Personal für die eigentlichen Aufgaben frei.
Am Beispiel von Einbrüchen lässt sich das gut zeigen. Auf diesem Feld sind verstärkt europaweit operierende Banden aktiv. Diese organisierte Kriminalität kann man mit auf einzelne Landkreise ausgerichteten Strukturen nicht effizient bekämpfen. Die Eigentumsdelikte sind jetzt schwerpunktmäßig bei der Kriminalpolizei verortet, nicht wie früher beim Revierdienst. Die Präsidien können nun mit gut ausgestatteten Sonderkommissionen oder Ermittlungsgruppen agieren. Die Polizei hat ihre Zusammenarbeit mit der für den Grenzschutz zuständigen Bundespolizei, dem Zoll sowie der Polizei in Frankreich und der Schweiz intensiviert. Mit Bayern gibt es ein Kooperationsabkommen. Durch einen verstärkten Einsatz der Bereitschaftspolizei werden zusätzliche Kontrollen und Fahndungen organisiert. Ergebnis: 2015 ist die Zahl der Einbrüche um zehn Prozent gesunken. Trotz internationaler Vernetzung der Kriminellen liegen wir weit unter den Höchstständen der 90er Jahre. Und durch die Spezialisten bei den Präsidien haben die Reviere vor Ort mehr Personal für ihre lokalen Tätigkeiten. Diese höhere Präsenz ist für das Sicherheitsgefühl der Menschen wichtig. Was leistet die Landesregierung, damit die Polizei diese Aufgaben bewältigen kann?  Wir haben den Stellenabbau der Vorgängerregierung gestoppt und umgekehrt. Die Personalstärke des Vollzugsdienstes liegt am Ende der Wahlperiode um 722 BeamtInnen höher als der Stand, den wir von CDU/FDP übernommen haben. Angesichts von starken Jahrgängen, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand eintreten werden, haben wir zudem die Zahl der jährlich ausgebildeten BeamtInnen auf ein deutlich höheres Niveau gehoben als im Schnitt der vorangegangenen Wahlperiode – von im Schnitt ca. 600 auf über 900 JungebeamtInnen. Insgesamt haben wir 850 Millionen Euro  zusätzlich in die Innere Sicherheit investiert. Zugleich haben wir die Ausbildung reformiert und an die Anforderungen einer bürgernahen, weltoffenen Polizei angepasst. Beides gehört untrennbar zusammen.