Sicherheit und Justiz

„Bayerisches Polizeiaufgabengesetz stellt bürgerliche Freiheiten pauschal in Frage“

Mit einem Gesetzentwurf zur Neuordnung des Bayerischen Polizeirechts will die bayerische Landesregierung die polizeilichen Eingriffsbefugnisse umfassend ausdehnen. Der innenpolitische Sprecher der Fraktion GRÜNE im Landtag kritisiert diesen Vorstoß scharf: „In Bayern würde ich auch gegen das Polizeiaufgabengesetz demonstrieren. Der CSU-Entwurf richtet sich mit seiner gewollten Pauschalität gegen die bürgerlichen Freiheiten insgesamt. In Bayern können schwerwiegende Maßnahmen wie Telefonüberwachungen wegen der Unbestimmtheit des Gefahrenbegriffs viele Bürger treffen. Das ist in Baden-Württemberg nicht möglich“, betont Uli Sckerl.

Das im November 2017 im Landtag verabschiedete neue Polizeigesetz in Baden-Württemberg unterscheidet sich sehr deutlich vom geplanten bayerischen Polizeiaufgabengesetz. „Während bei uns beispielsweise Maßnahmen gegen den Gefährder auf den Bereich des Terrorismus begrenzt ist,  und auch nur einige wenige Maßnahmen zulässt, operiert das PAG im Nachbarland sehr pauschal mit einer abstrakt drohenden Gefahr und eine Reihe von Eingriffsbefugnissen. Zum andren werden weitaus mehr Eingriffsbefugnisse geschaffen, wie zum Beispiel die Online-Durchsuchung“, so Sckerl weiter. In Baden-Württemberg darf – unter engen Voraussetzungen - nur die laufende Kommunikation überwacht werden.

Mit den Änderungen am Polizei- und Verfassungsschutzgesetz in Baden-Württemberg gebe die Landesregierung notwendige Antworten auf die anhaltende Bedrohungslage und statte die Sicherheitsbehörden mit wirksamen Befugnissen aus, damit Anschläge möglichst rechtzeitig verhindert werden können. „Gleichzeitig setzen wir auf einen starken demokratischen Rechtsstaat und auf Prävention. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung war in den Verhandlungen unsere Richtschnur. Wir haben sichergestellt, dass in dem Paket nur minimalinvasive, verhältnismäßige und verfassungsmäßige Maßnahmen enthalten sind. Die von uns gesetzten Grenzen (u.a. Verzicht auf die Online-Durchsuchung und die anlasslose Vorratsdatenspeicherung) gelten unverändert weiter“, betont Sckerl.

Außerdem wird die Anwendung der Maßnahmen in der Praxis genau beobachtet. Alle neuen Regelungen werden unter enger Einbindung des Landesbeauftragten für Datenschutz nach fünf Jahren evaluiert werden. „Sicherheit und Freiheit dürfen  nicht gegeneinander ausgespielt werden“, so Sckerl abschließend.


Wesentliche Unterschiede zwischen dem PAG Bayern (Entwurfsfassung 11.5.2018) und dem PolG Baden-Württemberg

  1. Gefährderbegriff
    Die allgemeinen Maßnahmen in Bayern sind durch die Änderung des Art. 11 PAG schon bei einer drohenden Gefahr möglich.  Parallel dazu haben wir in BW einzelne Maßnahmen ebenso bei Gefährdern ermöglicht. Es bestehen aber erhebliche Unterschiede:

    Der Gefährderbegriff in BW ist auf Terrorismus beschränkt. Das ist im bayerischen Gesetz nicht der Fall. Der bayerische Gesetzentwurf spricht pauschal von drohender Gefahr.

    Der Gefährderbegriff in BW ist an sehr hohe und enge Voraussetzungen geknüpft, die direkt den Anforderungen des BVerfG entsprechen. Das PAG fordert hingegen nur, dass „das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, das eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entsteht“.

    Der Gefährderbegriff des PolG BW ist nur auf einzelne Maßnahmen anwendbar:  TKÜ/Quellen-TKÜ, Aufenthalts- und Kontaktverboten und elektronische Fußfessel. Alle anderen polizeilichen Maßnahmen sind nur bei einer politischen Gefahr möglich. Im PAG hingegen ist die drohende Gefahr in Art. 11 PAG pauschal vorgesehen. Daneben auch bei einer Vielzahl konkreter Maßnahmen, z.B. Identitätsfeststellung, Gewahrsam
     
  2.  Online-Durchsuchung     
    Das PAG soll die Durchsuchung von elektronischen Speichermedien mittels Spähsoftware („Online Durchsuchung“)  ermöglichen. Zusätzlich ermöglicht es auch die Durchsuchung von Onlinespeichern („Clouds“). Diese Möglichkeiten bestehen in Baden-Württemberg nicht.
     
  3. Präventive DNA-Nutzung
    Das PAG ermöglicht die Erhebung von DNA-Daten (Alter, Hautfarbe, Haarfarbe, bioregionale Herkunft, Augenfarbe).Daraus werden Phantombilder erstellt.  In BW ist das gänzlich ausgeschlossen.
     
  4. Intelligente Videotechnik zur Personenerkennung
    In BW darf die Videoüberwachung nur hinsichtlich Verhaltens, das auf eine Gefahr hindeutet, ausgewertet werden. Es darf keine intelligente Personenerkennung durchgeführt werden. Es werden keinerlei biometrische Systeme eingesetzt.
     
  5. Postsicherstellung
    Ist in BW nicht erlaubt.
     
  6. Einsatz von Drohnen zur Datenerhebung
    Ist in BW nicht erlaubt.
     
  7. Gefährderhaft
    Gefährder können in Haft genommen werden. Das ist in BW generell nicht möglich. Bei uns gibt es nur den polizeilichen Gewahrsam bei einer konkreten Gefahr. Mit der PAG-Novelle wird zudem die Obergrenze der Haftdauer abgeschafft. In Bayern würde eine unbegrenzte „präventive Inhaftierung“ ermöglicht werden
     
  8. Einsatz von Bodycams in Privatwohnungen
    Ist in BW nicht erlaubt.
     
  9. Polizeiliche Meldeanordnung
    In BW gibt es dazu keine Vorschrift.
     
  10. In Bayern wird die Gefahrenschwelle für viele Maßnahmen deutlich herabgesetzt. In BW wurde die Gefahrenschwelle nicht verändert.