So funktioniert die Gemeinschaftsschule

Zum nächsten Schuljahr kommt die Gemeinschaftsschule. Mit der Verabschiedung des Gesetzes am Mittwoch hat Grün-Rot den Weg freigemacht für mehr Chancengleichheit nach der vierten Klasse. Bildungsexpertin Sandra Boser erklärt, was die Gemeinschaftsschule ist. Überall im Land entsteht eine neue Schulart, die Gemeinschaftsschule. Was ist bei dieser Schulform anders? In der Gemeinschaftsschule sind alle Kinder eingeladen, länger gemeinsam zu lernen. Sie steht allen Kindern offen und vermittelt alle Bildungsinhalte. Das heißt, alle Bildungspläne der bisher bestehenden Schularten werden in der Gemeinschaftsschule abgebildet, aber jedes Kind kann nach seinen individuellen Fähigkeiten diese Bildungspläne in Anspruch nehmen und sich seinen persönlichen Lernplan zusammenstellen. Andere Lernformen wie selbstverantwortliches Lernen, Lerngruppen, oder Lernen durch Lehren, gibt Kindern mehr Möglichkeiten, in einem heterogenen, sozial sehr offenen Umfeld ihren bestmöglichen Bildungsabschluss zu erreichen. Welche Chancen liegen in der Gemeinschaftsschule? Wir haben keine Selektion nach der vierten Klasse. Das heißt, die Kinder werden unabhängig von ihrem bisherigen Werdegang gemeinsam weiter unterrichtet. Jedes Kind entwickelt sich in seiner ersten Lebensphase unterschiedlich: Es gibt mal Entwicklungsschübe, durch die das Kind ganz stark ist, es gibt aber auch Phasen, in denen das Kind sich nicht überdurchschnittlich entwickelt, sondern auf gleichem Niveau bleibt. Das fängt die Gemeinschaftsschule auf. In der Gemeinschaftsschule müssen die Kinder nicht alles zur gleichen Zeit, beim gleichen Lehrer und im gleichen Maße wissen und können, sondern sie können sich individuell weiterentwickeln. Was müssen die Grünen tun, damit die Gemeinschaftsschule gelingt? Wir brauchen ein gutes Fortbildungskonzept für die Lehrerinnen und Lehrer, denn die Unterrichtsmethoden für selbstverantwortliches Lernen, Arbeiten in Lerngruppen, binnendifferenziertes Lernen zwischen den einzelnen Bildungsplänen stellt für die Lehrerinnen und Lehrer eine große Herausforderung dar. Da braucht es Hilfestellungen. Wir geben den Schulen in den ersten drei Jahren zusätzliche Stunden, damit sie das neue Schulkonzept umsetzen können. Wie können sich Grüne vor Ort einbringen? Grüne vor Ort können Gespräche mit den Schulleitern und Trägern anregen, das Konzept diskutieren und erklären. Für die Kommunalpolitiker wird es ein Handout geben, damit sie den Schulträgern, den Schulleiterinnen und -leitern die Möglichkeiten der Gemeinschaftsschule vermitteln können. Es gibt auch neue Schulentwicklungsmöglichkeiten: Durch den demographischen Wandel gibt es in Städten und Gemeinden unterschiedliche Entwicklungen im Schulsystem, das kann die Gemeinschaftsschule auffangen. Manche Stimmen fragen, ob die Realschule vernachlässigt wird. Andere fürchten um das Gymnasium. Wie sieht die Schullandschaft der Zukunft aus? Längeres gemeinsames Lernen wird in den nächsten Jahren in Baden-Württemberg eine noch größere Rolle spielen, weil nur damit echte Chancengerechtigkeit gelingen kann. Daher sehen wir natürlich in den Gemeinschaftsschulen die Chance, eine heterogene Schulart anzubieten, die langfristig die anderen Schularten ersetzen kann – wenn dies vor Ort gewünscht wird. Wir bieten unser Modell jetzt an und laden jede Schule dazu ein, sich in diese Richtung weiter zu entwickeln. Egal ob Realschule, Gymnasium, Werkrealschule - alle Schulen haben mit einer wachsenden, steigenden Heterogenität zu tun. Das war auch in den vergangenen Jahren schon so, die Schülerzahlen haben sich sehr unterschiedlich entwickelt. Die Gemeinschaftsschule bietet allen Schulen mehr und neue Lernmethoden. Um individuelle Förderung auch an den bestehenden Schularten verstärkt anbieten zu können, haben wir den Gymnasien und Realschulen ebenfalls zusätzliche Stunden zur Verfügung gestellt. Wir sehen aber eine große Chance zur Weiterentwicklung aller Schularten in der Gemeinschaftsschule.