Bildung

Sandra Boser mit Konzept, wie Schule in Zeiten von Corona funktionieren kann

Wie kann Schule unter Corona-Bedingungen funktionieren? Unsere bildungspolitische Sprecherin Sandra Boser hat hierzu ein Konzept erarbeitet.

Sandra Boser: „Die Gesundheit unserer Kinder und unserer Lehrkräfte steht an erster Stelle. Hier dürfen wir kein Risiko eingehen. Gleichzeitig müssen wir alle Möglichkeiten ergreifen, um schnellstmöglich wieder Präsenzunterricht sowie frühkindliche Bildung anbieten zu können – sofern dies unter Pandemiegesichtspunkten verantwortbar ist. Insbesondere für die jüngeren Kinder ist das Lernen mit Gleichaltrigen vor Ort in Schule und Kita durch nichts zu ersetzen.

Zwischen Schulschließungen und Präsenzunterricht gibt es weitere Möglichkeiten, die angewendet werden könnten, um die Bildungschancen von Kinder und Jugendlichen zu sichern – ob Hybrid -, Wechsel- oder Fernunterricht. Viele Schulen sind bereit, den Unterricht teilweise oder ganz digital umzusetzen. Wichtig ist, dass die Schulen für ihre individuellen Lösungen Rechtssicherheit und Unterstützung bekommen.“

Vorschläge für den Betrieb der Kindertageseinrichtungen und Schulen  

Mit den steigenden Infektionszahlen haben sich zuletzt auch die Fälle in den

Kindertageseinrichtungen und Schulen gehäuft. Dabei musste man feststellen, dass auch die Infektionszahlen bei Kinder und Jugendlichen in jüngster Zeit zugenommen haben. Dies belegen auch Studien, die nahe legen, dass das Infektionsgeschehen bei Kinder neu betrachtet werden muss. Es war daher eine richtige Entscheidung, die Weihnachtsferien vorzuverlegen und den Unterricht auf die Abschlussklassen zu reduzieren.

Es gilt nun, die Zeit zu nutzen und gemeinsam mit den Beteiligten an Schulen die

Rahmenbedingungen für die Unterrichtszeit nach den Ferien zu schaffen. Daher sind nunmehr Vorbereitungen für alternative Unterrichtsangebote an den Schulen vorzusehen bzw. die Aktivitäten der Schulen unterstützen, sofern das Infektionsgeschehen im neuen Jahr den Präsenzunterricht weiterhin einschränken. 

Lösungsmöglichkeiten

Kindertageseinrichtungen: 

Auch in den Kindertageseinrichtungen braucht es zusätzliche Schutzmaßnahmen. So könnte das Tragen eines Mund-Nasenschutzes für Erwachsene außerhalb der Arbeit am Kind in der Gruppe, bei der die Möglichkeit besteht, auf andere Erwachsene zu treffen, zusätzlichen Schutz bieten. Bisher gilt hier nur ein Abstandsgebot. Bei auftretenden Infektionen sollten Testmöglichkeiten gewährleistet werden. Zudem sollten die Gruppen in den Kindertageseinrichtungen nicht durchmischt werden.

Grundschulen:

An den Grundschulen ist das Infektionsrisiko nach wie vor geringer. Grund ist die jüngere Schülerschaft. Gerade für die jüngsten Schüler*innen ist der Präsenzunterricht von besonderer Bedeutung, weshalb hier ein Fernunterricht nur bei einer kompletten Schließung der Schulen in Betracht gezogen werden sollte. Wir regen an, die Schulen zu bitten, alle verfügbaren Räume zu nutzen, um innerhalb der Klassen kleinere Gruppen zu bilden. Ergänzt werden kann das Raumangebot durch leerstehende öffentliche Gebäude bspw. in der Verwaltung oder Bibliotheken.

Den zusätzlichen Betreuungsaufwand können Studierende in höheren Semestern,

Referendare oder externe Partner in Form von multiprofessionellen Teams übernehmen. Hierfür könnte den Schulämtern ein Budget zur Verfügung gestellt werden, welches an den jeweiligen Schulen zusätzliches Personal ermöglicht.

Die Schulabstinenz bedeutet für manche Schüler*innen eine große psychische und emotionale Belastung. Sie sind mit Problemen konfrontiert, sei es aufgrund mangelnder sozialer Kontakte, einer beengten Wohnsituation oder häuslicher Probleme. Daher braucht es besondere Angebote, die diese Problemlagen aufzufangen, auch hier kann der Einsatz von multiprofessionellen Teams Entlastung bieten. Hierzu zählen insbesondere psychologische und sozialpädagogische Beratungsangebote – etwa bei jetzt verstärkt auftretenden Lernschwächen oder sozial-emotionalen Problemen

Für Räume, die nicht oder nur schwer belüftet werden können, können Luftfilter oder kurzfristige Baumaßnahmen eine Abhilfe schaffen.i In anderen Räumen können CO2Ampeln dabei unterstützen, regelmäßig zu lüften. 

Das Tragen eines Mund-Nasenschutzes bei Erwachsenen kann zudem Schutz bieten und sollte den Lehrer*innen zur Verfügung gestellt werden. Wir regen an, an Lehrkräfte FFP-2Masken als ein freiwilliges Angebot auszugeben. 

Bevor an Grundschulen Fernunterrichts angedacht wird, solle der Präsenzunterricht auf die

Kernfächer Deutsch, Mathematik und Sachunterricht konzentriert werden. Musik, Sport, Kunst, Religion und Arbeitsgemeinschaften würden dann derzeit nicht stattfinden, so dass diese Lehrerstunden für Präsenzunterricht in den Kernfächern – auch bei einer Halbierung der Klasse – zur Verfügung stünden. 

Sekundarstufe:

In der Sekundarstufe sollte den Schulen die Möglichkeit gegeben werden, auf alternative Unterrichtsangebote zurückgreifen zu können. So könnte bspw. die Möglichkeit eröffnet werden ein rollierendes System einzuführen. Insbesondere ab Klassenstufe 8 würde dies zu einer Entspannung führen und für Schulen, an denen die Fallzahlen merklich steigen, kann damit der Präsenzunterricht zumindest teilweise gesichert werden. Dabei werden die Klassen in A und B Wochen aufgeteilt und jeweils eine Gruppe befindet sich in Präsenz an der Schule, die andere Gruppe arbeitet vorbereitete Aufgaben zu Hause auf. Ergänzt werden kann dies durch Unterrichtsanteile, die gestreamt werden. Dazu hat das Kultusministerium den Schulen entsprechende Handreichungen zur Verfügung zu stellen sowie die datenschutzrechtlichen Grundlagen zu schaffen. 

Wo möglich bietet auch der Hybridunterricht eine Alternative zum kompletten

Präsenzunterricht. Da nach wie vor nicht alle Schulen über die technischen

Voraussetzungen für einen digitalen Fernunterricht verfügen, wäre eine alternative Gruppenteilung zu ermöglichen. Allerdings sind die räumlichen Voraussetzungen an den weiterführenden Schulen meist schlechter und eher am Rande des Möglichen. Um die räumliche Situation zu verbessern, können auch hier Luftfilter eingesetzt werden, oder kurzfristige bauliche Maßnahmen um diese fit für das Lüften zu machen. Auch die Nutzung von externen Räumen kann Gruppenteilungen ermöglichen. Die Betreuung von Gruppen können Mentoren aus der Klasse oder externe Partner übernehme.

Wichtig ist, dass Schulen eine Rechtssicherheit bekommen um ihre individuelle Lösung umsetzen zu können. Dazu gehören auch datenschutzkonforme digitale Angebote. Apps und Anwendungen könnten in Form einer White List zusammengefasst und den Schulen zur Verfügung gestellt werden. Für die digitale Übertragung aus dem Unterricht besteht nach wie vor eine Unsicherheit in Bezug auf die datenschutzrechtlich notwendigen Voraussetzungen. Um den Wissensstand der Klassen zu begleiten können digitale Lernstandsdiagnosen unterstützen. 

Begleitend sollte ein runder Tisch mit allen Beteiligten der Schulgemeinschaft eingerichtet werden, um die Erfahrungen aus Praxis und Wissenschaft einzubinden.

In allen Fällen in denen über Anteile aus Fernunterricht nachgedacht wird, braucht es Notbetreuungsangebote, die bestenfalls von externen Partner*innen durchgeführt werden.

In der aktuell schwierigen Situation gilt es, sich auf das Kerncurriculum zu konzentrieren.

Das heißt auch, dass anstelle von Musik, Sport oder nicht stattfindenden

Arbeitsgemeinschaften zusätzliche Zeit für Förderangebote eingerichtet werden können.

Schüler:innen mit erhöhten Förderbedarf können von der Schule zur Teilnahme am Präsenzunterricht verpflichtet werden. Lernlücken müssen im laufenden Schuljahr kontinuierlich im Blick bleiben. Dabei können digitale Lernstandsdiagnosen Unterstüzung bieten und das Angebot von Lernbrücken sollte in diesem Jahr wieder eingerichtet werden. Gemeinsam mit den Kommunen können hier, neben den Lernangeboten, auch außerschulische Partner eingebunden werden, um sportliche, musische oder künstlerische Angebote durchzuführen. Für Kinder und Jugendliche, die spürbar am Ende des Schuljahres Lerndefizite aufweisen, sollte mit Beratung und Begleitung durch die Lehrkräfte eine freiwillige Wiederholung ermöglicht werden.

Berufliche Schulen:

An den beruflichen Schulen stellt sich das Thema aufgrund der vielen unterschiedlichen Angebote von Voll- und Teilzeitschule schwieriger dar. Auch hier können Anteile im Fernunterricht bis auf weiteres Entlastung bieten. 

SBBZ/Inklusion, Schulkindergärten:

Schüler*innen im SBBZ und in der Inklusion gehören oftmals zu den vulnerablen Gruppen, für die ebenfalls FFP2 Masken ermöglicht werden sollten. Die Präsenz an den Schulen ist für diese Schüler*innen und deren Familien oftmals noch wichtiger, da hier die Entlastung bei der Pflege und Betreuung eine noch größere Rolle zukommt. Wichtig wäre, für diese Kinder und Jugendliche, dass während den Schulschlißungen die Schulbegleitung gesichert ist. Diese wurde von den zuständigen Landkreisen im ersten Lockdown teilweise eingestellt.

Weitere Maßnahmen:

Die Notbetreuung muss sich an festgelegten Maßstäben orientieren. Auch dort müssen die

AHA+L Regeln eingehalten werden können. Die Gruppen sollten konstant und auf die Klassenstufen bezogen eingerichtet sein. Auch in der Notbetreuung müssen FFP2 Masken vorhanden sein.

Der Einstieg in Schule und Kita kann durch Schnelltest Angebote erleichtert werden. 

Es bleibt wichtig, dass sich Schülergruppen auch außerhalb der Schule nicht geballt begegnen, weshalb Anfangs- und Endzeiten auch weiterhin entzerrt werden sollten und dafür braucht es auch weiterhin die Unterstützung für Verstärkerbusse. 

Im Übrigen regen wir an, die Corona Warn App auch an den Schulen und im Unterricht zu ermöglichen. Das funktioniert natürlich nur, wenn das Gerät im Betrieb sein darf.ii                

i Aus dem ersten Entwurf der Stellungnahme des Expertenkreises geht hervor, dass Innenraumluftfilter – richtig ausgewählt und angewandt – ein zusätzlicher Baustein in einem bestehenden AHA+L-Konzept (generell und so auch in Schulen) sein können.           

ii Die Corona-Warn-App darf aktuell offiziell erst ab 16 Jahren verwendet werden. Gerade vor dem Hintergrund, dass Apps wie zum Beispiel WhatsApp bereits ab 16 Jahren oder früher genutzt werden können und in dieser Altersgruppe Smartphones sehr weit verbreitet sind, könnte eine Änderung hier durchaus zur Nachverfolgung und potentiell Eindämmung des Infektionsgeschehens beitragen.