Drei Fragen zu Hilfe für Sinti und Roma an Josha Frey
Die Regierungsfraktionen stellen in den nächsten beiden Jahren 200.000 Euro für Projekte zur Verfügung, die das Leben von Sinti und Roma in Osteuropa verbessern sollen. Warum die Landespolitik ein solches Engagement zeigt und warum das Thema Grün-Rot ein Anliegen ist, beantwortet der grüne MdL Josha Frey. Frey konnte sich bei einem Besuch in Serbien erst vor wenigen Wochen selbst ein Bild der Lebenswirklichkeit von Roma vor Ort machen. Warum engagiert sich das Land Baden-Württemberg in Osteuropa und hier speziell für Roma? Sowohl das Engagement in Osteuropa als auch für Sinti und Roma hat für Baden-Württemberg einen weitreichenden historischen und aktuellen Bezug. Was das Geschichtliche anbelangt, so möchte ich neben der bekannten Verfolgung der Roma im Dritten Reich auch erwähnen, dass die Roma seit über fünfhundert Jahren in vielen Staaten Europas und auch in Deutschland beheimatet sind. Der Staatsvertrag mit Sinti und Roma, der nun seit genau einem Jahr in Kraft ist, spiegelt das Bekenntnis des Landes wider, dass Sinti und Roma Teil der Geschichte, Gegenwart und Zukunft Baden-Württembergs sind. Darüber hinaus verbindet Roma und Baden-Württemberg ein weiterer Aspekt: Sie haben beide eine europäische Dimension. Schließlich gelten die Roma mit mehr als zehn Millionen Menschen heute sogar als größte Minderheit auf unserem Kontinent. Viele der Roma wohnen dabei gerade in jenen osteuropäischen Staaten, die sich im Einzugsgebiet der Donauraumstrategie befinden, die Baden-Württemberg mit initiiert hat und für die sich das Land sehr stark engagiert. Für uns stellt der Donauraum eine der großen Herausforderungen für eine erfolgreiche Europäische Integration dar. Die Frage, wie wir in Europa mit Minderheiten umgehen, ist dabei ein zentraler Gradmesser für das Miteinander in der EU an sich. Wenn wir uns also als Land für eine verbesserte Situation der Roma zwischen Schwarzwald und dem Schwarzen Meer einsetzen, tragen wir in großem Maße zu einem Gelingen der gesamteuropäischen Integration bei, von der alle Donauraumländer und in hohem Maße auch wir in Baden-Württemberg wirtschaftlich wie kulturell stark profitieren. Welche Eindrücke hast du von den Reisen des Europa-Ausschusses in die Region/ nach Serbien mitgenommen? Wir haben Serbien Ende September besucht, kurz nachdem der Bundesrat das Land als sicheres Herkunftsland ausgewiesen hat. Deshalb war es unserem Arbeitskreis Europa und mir persönlich bei allen politischen Gesprächen vor Ort ein besonderes Anliegen, die Lage der Minderheiten im Lande anzusprechen und Konzepte der Regierung in Belgrad wie auch der Regierung der autonomen Provinz Vojvodina im Norden des Landes in Erfahrung zu bringen. Übereinstimmend haben unsere Gesprächspartner eingestanden, dass es zwar keine politische Verfolgung von Roma oder anderen Minderheiten im Land gebe, sehr wohl aber ein hohes Maß an systematischer Diskriminierung. Die soziale Lage der großen Mehrheit der Roma ist schlecht. Der Schulbesuch von Romakindern ist trotz bestehender Schulpflicht nicht gewährleistet. Und der Zugang zu Gesundheitsversorgung ist nicht gesichert, da Voraussetzung für medizinische Versorgung der Besitz von Ausweispapieren ist. Viele Roma wollen sich nach Angaben der Regierung aber nicht registrieren lassen. Das serbische Gesundheitssystem ist trotz staatlicher Subventionen im europäischen Vergleich das schlechteste. Die Regierung tut nach eigenen Angaben viel dafür, um Minderheiten kulturelle Rechte zu geben. So gibt es z.B. Minderheitenräte. Sanktionen gegen Rückkehrer nach Abschiebung sind nicht bekannt. Die Stimmung im Land lässt sich für mich so zusammenfassen: „ Die Mehrheit hat kein Verständnis für die Minderheiten“. Von daher ist unser Ansatz, mit Mitteln aus dem Landeshaushalt integrative Projekte zu fördern in den Bereichen Bildung, Kultur und Abbau von Vorurteilen sicherlich ein wichtiger Baustein, um Fluchtursachen an der Wurzel abzubauen. Auch bei den Sitzungen der gemischten Regierungskommission Baden-Württemberg – Serbien wird die Achtung der Menschenrechte der Roma und anderer Minderheiten im Fokus stehen. Welche Perspektiven siehst du für die nächsten Jahre? Sowohl aus baden-württembergischer wie europäischer Sicht sehe ich Perspektiven und Chancen für eine nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation der Roma und Sinti, wobei ich mich hier zunächst auf die europäische Sicht konzentrieren möchte. Neben der Donauraumstrategie hat die Europäische Union eine eigene Roma Strategie eingerichtet. Persönlich begrüße ich hierbei, dass die oft tabuisierten Themen soziale Ausgrenzung und Diskriminierung angegangen werden sollen. Dabei sehe ich es als vorteilhaft an, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen integriert umgesetzt werden sollen. Konkret heißt dies zum Beispiel, dass die gesamten Strukturen vor Ort verbessert werden sollen. Das kann von einer sensibilisierten Verwaltung oder Beratungsangeboten bis hin zur Schaffung von Arbeitsplätzen und besseren Bildungsangeboten reichen. Wenn wir das entsprechend umsetzen, wird nicht nur die Situation der Roma verbessert, sondern die Voraussetzungen für die gesamte Region. Dies zeigt, wie sehr eine erfolgreiche Umsetzung der Roma Strategie mit dem Gelingen der Europäischen Integration verknüpft ist.