Agrarpolitik und Ernährung

Aquakultur am Bodensee: Netzgehege sind unkalkulierbares

Felix Kaestle/dpa

Die Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich mit großer Mehrheit gegen sogenannte Netzgehege im Bodensee ausgesprochen. „Wir werden keinen offenen Netzgehege zustimmen, bei denen Futtermittel und Kot unkontrolliert in den See eingetragen werden. Denn es ist völlig ungeklärt, welche Auswirkungen dies auf die Gewässerökologie, das Trinkwasser und den Tourismus haben kann“, erklärt  der zuständige Grüne Fachpolitiker für Fischerei, Reinhold Pix.

Seit Monaten wird am Bodensee intensiv über die Netzgehege gestritten. Grund: Im vergangen Jahr war bekanntgeworden, dass eine Genossenschaft mit Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums plant, zehn bis zwölf dieser Anlagen im Überlinger See zu platzieren, um dort rund 600 Tonnen Felchen pro Jahr zu produzieren. Bislang sind Netzgehege im Bodensee verboten.

In einem Offenen Brief an Landwirtschaftsminister Peter Hauk haben bereits im Februar diesen Jahres 32 Organisationen gefordert, jegliche Unterstützung für das Projekt aufzugeben - darunter mehrere Umweltschutz-,  Fischerei- und Angelverbände. Auch zahlreiche Lokal-, Landes- und Bundespolitiker aus der Region haben sich seitdem gegen die Fischzucht im Seeausgesprochen. Gegen eine Felchenmast im Bodensee sind auch die betroffenen Gemeinden, die Bodensee-Wasserversorgung und die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee.

Als erste Landtagsfraktion haben sich nun die Grünen eindeutig positioniert. Unter anderem heißt es im Positionspapier: „Nach Abwägung der Belange von Gewässerschutz, Trinkwasserversorgung, Fischerei und Tourismus- beziehungsweise Freizeitnutzung, ist der Bodensee aus Sicht der Fraktion Grüne nicht geeignet für offene Netzgehege.“
„Der größte Trinkwasserspeicher Europas eignet sich definitiv nicht für Experimente mit ungewissem Ausgang“, betont Pix. Und der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Dr. Bernd Murschel, verweist darauf, dass die Bodensee-Richtlinie der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee Netzgehege im See explizit ausschließt. Es gebe hier keinen Ermessensspielraum für Abwägungen.

Als Tourismuspolitiker verweist Reinhold Pix zudem darauf, dass „nur ein einprozentiger Rückgang des Tourismus in der Region - aufgrund einer tatsächlichen oder vermeidlichen Verschlechterung der Wasserqualität - einen volkswirtschaftlichen Schaden anrichtet, welcher in keinem Verhältnis zum Nutzen der Aquakulturen steht.“

Die Konstanzer Grüne-Abgeordnete Nese Erikli bezeichnet den Beschluss als „wichtiges Signal für die Menschen am See. Wir, die täglich den See erleben, schätzen ihn als sauberes und vergleichsweise wenig belastetes Gewässer. An diesem Zustand durch Aquakultur im Bodenseewasser zu rütteln, wäre unverantwortlich.“

Die Berufsfischer am See dürften sich über die Positionierung der Grünen freuen, sind sie doch maßgebliche Initiatoren des Protests. Klar ist aber auch: Durch die Ablehnung von Netzgehegen lassen sich die schlechtesten Fangerträge seit Jahrzehnten nicht ausgleichen.

Eine Hoffnung der Fischer werden die Grünen jedoch nicht erfüllen: Eine künstliche Anhebung des Phosphatgehalts des Bodensees -  von vielen Fischern gewünscht, um die Nahrungssituation und damit auch das Aufkommen der Fische zu verbessern. Dies schließt das verabschiedete Positionspapier eindeutig aus.

Dafür bringen die Landtags-Grünen andere Möglichkeiten ins Spiel, wie den Fischern am See geholfen werden kann. Die Einkommenssituation könnte etwa durch die Förderung einer besseren Direktvermarktung, die Verbindung mit touristischen Angeboten und dem Einstieg in die Verarbeitung verbessert werden. Eine weitere Idee: die Einführung einer geschützten Ursprungsbezeichnung „Bodensee-Wildfisch“. Bernd Murschel ist von diesem Qualitätslabel überzeugt:  „Regionalität und Qualität lassen sich so zu besseren Konditionen vermarkten und von Importen abgrenzen.“

Gleichzeitig sehen die Grünen in sogenannten „Geschlossenen Kreislaufanlagen mit integrierter Klärtechnik“ eine Chance, mittelfristig eine nachhaltige heimische Fischproduktion zu etablieren und Deutschlands massive Abhängigkeit von Fischimporten zu reduzieren. Denn die heimische Fischproduktion in Aquakulturen habe den Vorteil kurzer Transportwege und biete die Möglichkeit, hohe Produktions- und Umweltstandards umzusetzen. Reinhold Pix: „Wir haben uns nicht gegen Aquakulturen ausgesprochen, sondern ausschließlich gegen offene Netzgehege im Bodensee.“