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Fessenheim schnellstmöglich abschalten

„Nai hämmer gsait“, das galt im Widerstand gegen das AKW Wyhl und das gilt im Jahrzehnte andauernden Widerstand gegen das AKW Fessenheim. Eine Region ist besorgt und will wissen, ob das Kernkraftwerk erst Ende 2016 endgültig abgeschaltet wird, wie es Francois Hollande angekündigt hatte. Aber hält das altersschwache AKW bis 2016? Wir dokumentieren die Rede von Alexander Schoch am 30. Januar 2013 im Landtag von Baden-Württemberg: "Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben am 18. Juli 2012 einen Antrag gestellt und am 14. September 2012 hat Francois Hollande mitgeteilt, dass das Atomkraftwerk Fessenheim bis 2016 abgeschaltet werden soll. Es hat sich also seit der Antragstellung einiges getan, dadurch hat sich Teil II unseres Antrages durch Regierungshandeln erledigt. 30 Kilometer südwestlich von Freiburg und 30 Kilometer südostlich von Colmar stehen die beiden französischen 900-Megawatt-Blöcke von Fessenheim, die 1977 und 1978 in Betrieb genommen wurden. Die Nutzung der Atomenergie, gerade auch in Fessenheim, ist eine Gefahr für Mensch und Umwelt, was in verschiedenen Studien bereits belegt wurde. Aus dieser südbadischen Region kommt der Wunsch eines großen Teils der Bevölkerung nach der sofortigen Stilllegung des Kernkraftwerks Fessenheim. So war es auch der Wunsch vieler Menschen aus dieser Region, dass sich der baden-württembergische Landtag mit dem Thema Abschaltung des AKW Fessenheim nach dem Regierungswechsel in Frankreich beschäftigt. Dies haben die Landtagsfraktionen der Grünen und der SPD in einem Antrag bereits im Juli 2012 aufgenommen. Ich möchte an dieser Stelle aber auch deutlich machen, dass nicht nur Fessenheim, sondern auch die schweizerischen Kernkraftwerke Beznau und Leibstadt die Bevölkerung im Dreiländereck bedrohen. 106 Gemeinden, Städte und Landkreise aus dem Elsass, der Schweiz und aus Deutschland, die sich im trinationalen Atomschutzverbandes TRAS organisieren, fordern die Stilllegung von Fessenheim. Viele Kommunen aus dem Dreiländereck haben in ihren Gremien entsprechende Resolutionen verabschiedet. Im Falle einer atomaren Katastrophe wäre eine Region mit etwa 650.000 bis 2,5 Millionen - oder, wenn man die Trinationale Metropolregion insgesamt nimmt, über sechs Millionen - Einwohnerinnen und Einwohnern betroffen. Das hätte verheerende und existenzbedrohende Auswirkungen für die Menschen in der Region. Seit der Inbetriebnahme der zwei Druckwasserreaktoren (mit je 880 Megawatt elektrischer Nettoleistung) im Jahr 1977 kam es zwischen 1989 und 2008 zu über 200 Zwischenfällen, welche laut der deutschen Strahlenschutzverordnung meldepflichtig waren. 2009 Am 27. Dezember 2009 wurde der zweite Reaktor des Kernkraftwerks wegen Pflanzenresten im Kühlkreislauf vorerst abgeschaltet. 2010 Am 24. August 2010 wurden 50 Kubikmeter radioaktiver Gase "freigesetzt", so die staatliche französische Atomsicherheits- und Aufsichtsbehörde ASN (Autorité de Sûreté Nucléaire). Am 20. Oktober 2010 kam es während des Einschaltens eines Ventilators zu einem Kurzschluss. Daraufhin wurde der Block 1 des Atomkraftwerkes heruntergefahren. 2011 Auf Grund eines Bedienungsfehlers kam es am 3. April 2011 zu einer automatischen Abschaltung des Reaktors. 2012 Am 25. April kam es laut Angaben des Kraftwerksbetreibers im nichtnuklearen Teil der Anlage zu einem Brand am Kühlteil eines Wechselstromgenerators in der Maschinenhalle des Blocks II. Am 8. Mai kam es nach Angaben des Kraftwerksbetreibers erneut zu einer Störung in Block II des Kraftwerkes. Es erfolgte eine automatische Schnellabschaltung. Am 5. September wurden mehrere Menschen bei einem Zwischenfall verletzt. Sie sehen: Die Liste der Zwischenfälle ist lang! Sehr geehrte Damen und Herren, die französische Atomaufsicht ASN hat am 21. Dezember 2012 grünes Licht für die vom Betreiber EDF vorgeschlagenen Nachrüstungen im AKW Fessenheim gegeben. So soll die Bodenplatte unter dem Reaktor von 1,50 m auf 2 m verstärkt werden, außerdem ist der Einbau eines Transferkanals im Schacht unter dem Reaktorbehälter geplant, der einen geschmolzenen Kern in einen benachbarten, ebenfalls verstärkten Bereich leiten soll. Die vorgeschlagenen Nachrüstungsmaßnahmen reichen im Katastrophenfall höchstens dazu aus, die Katastrophe zu verzögern - können sie aber nicht verhindern. Trotz aller Proteste diesseits und jenseits des Rheins, trotz zahlreicher gravierender Sicherheitsmängel hinsichtlich eines drohenden GAU durch Erdbeben, Überschwemmungen, Flugzeugabstürze (in unmittelbarer Nähe befindet sich der Flughafen Basel Mülhouse Freiburg) oder terroristische Anschläge, laufen die beiden Reaktorblöcke des maroden Uralt-AKW Fessenheim wahrscheinlich noch bis 2016. Die frühere französische Umweltministerin Corinne Lepage, heute Anwältin des trinationalen Atomschutzverbandes TRAS, plädiert für eine sofortige Schließung von Fessenheim. Fessenheim ist viel zu alt, um entsprechend den heute gültigen neuen Normen aufgerüstet zu werden, so Lepage. Von Umweltverbänden und vom Trinationalen Atomschutz-verband wird dies zu Recht als unverantwortliche Gefahrzeitverlängerung kritisiert. Es mutet seltsam an, wenn jetzt vor dem Hintergrund eines weichgespülten EU-Stresstests angemahnte technische Nachbesserungen in Fessenheim, wie z.B. die Verstärkung der viel zu dünnen Betonfundamentplatte, durchgeführt werden sollen. Die Menschen in der Region wollen keine Gefahrzeitverlängerung. Die Atomunfälle in Tschernobyl und Fukushima haben gezeigt, dass relativ schnell sehr große Gebiete evakuiert werden müssen. Die schweren Reaktorkatastrophen in Tschernobyl und Fukushima hatten bei aller Unterschiedlichkeit ein gemeinsames Element: Betreiber, Techniker, Politik, Medien und Öffentlichkeit waren auf den Unfall und seine Folgen nicht vorbereitet. Der Katastrophenschutz, der immer Menschenschutz sein sollte, versagte kläglich. Der Philosoph Günter Anders hat dieses Versagen mit dem Begriff der Apokalypseblindheit beschrieben. Lassen wir es nicht so weit kommen. Ein leiser Hoffnungsschimmer für die Region ist natürlich Hollandes Ankündigung, dass das AKW Fessenheim mit seinem permanenten existenziellen Gefährdungspotential für das gesamte Oberrheingebiet (und weit darüber hinaus) 2016 abgeschaltet werden soll. Unserer Meinung nach sollte dieser altersschwache Risikoreaktor schnellstmöglich abgeschaltet werden. Dies bestätigt auch die vom Umweltministerium Baden-Württemberg in Auftrag gegebene Studie zur "Analyse der Ergebnisse des EU-Stresstests der Kernkraftwerke Fessenheim und Beznau, die vom Öko-Institut und Physikerbüro Bremen durchgeführt wurde. Im Vergleich zum Sicherheitsstatus deutscher Kernkraftwerke (KKW) weisen die Anlagen Fessenheim in Frankreich und Beznau in der Schweiz deutliche Defizite auf, so das Ergebnis der Analyse des Öko-Instituts. Dabei verglichen die Expertinnen und Experten die Anlage in Fessenheim mit deutschen Anlagen anhand von Kriterien, die die Reaktorsicherheitskommission im vergangenen Jahr für ihre Sicherheitsüberprüfung aufgestellt hatte. Die Experten des Öko-Instituts analysierten Erdbeben, Überflutungen, den Ausfall der Strom- oder Kühlwasserversorgung im Reaktor selbst bzw. im Brennelementlagerbecken und identifizierten die Schwachstellen der Anlagen. Die Experten kamen zu dem Ergebnis, dass Fessenheim in den fünf untersuchten Bereichen – Erdbeben, Überflutung, Brennelement-Lagerbecken, elektrische Energieversorgung und Kühlwasserversorgung – wesentliche sicherheitstechnische Schwachstellen haben. Dieses Ergebnis bestätigt die Forderung der Region nach einem Abschalten des AKW Fessenheim. Und die deutsch-französische Freundschaft verträgt es auch, wenn wir die Ergebnisse des Gutachtens zukommen lassen, mit dem Wunsch und der Bitte zu einer schnellen Abschaltung des AKW zu kommen. Sehr geehrte Damen und Herren, natürlich, und das ist den Menschen in der Region um Fessenheim auch bewusst, machen sich die Beschäftigten des Kernkraftwerks Sorgen um ihren Arbeitsplatz. Dies wurde auch vom französischen Präsidenten im Rahmen einer Grundsatzrede bei einer Umweltkonferenz im September 2012 besonders gewürdigt, indem er vor dem Hintergrund der Stilllegung des AKW Fessenheim auch betonte, dass zum einen die Stromversorgung für die Region natürlich auch ohne des AKW Fessenheim sichergestellt sei und dass zum anderen "alle Arbeitsplätze" erhalten bleiben. Wir würden es begrüßen, wenn die Landesregierung bzw. das Ministerium nochmal vor dem Hintergrund der bisher stattgefundenen Gespräche mit der französischen Regierung eine aktuelle Einschätzung zur Stilllegung des AKW Fessenheim abgeben könnte und darüber berichtet, welche Gespräche zukünftig mit der französischen Regierung geplant sind, um zur schnellstmöglichen Stilllegung des AKW Fessenheim zu kommen."