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"Wir wollen, dass Baden-Württemberg stark bleibt"

Eine aktuelle Umfrage sieht eine parlamentarische Mehrheit für die grün-rote Regierungskoalition in Baden-Württemberg. Kein Wunder, dass Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann der Wahl am 13. März zuversichtlich entgegen blickt. Mit Sitzmann sprach Klaus Wieschemeyer/Schwäbische Zeitung Frau Sitzmann, es kommen derzeit täglich Tausende Flüchtlinge nach Deutschland. Wieso wollen die Grünen mit der Gesundheitskarte noch mehr anlocken? Die Gesundheitskarte hilft den Landkreisen und den Kommunen, weil sie unnötige Bürokratie verhindert. Sie ermöglicht zudem kranken Menschen den direkten Zugang zum Arzt. Es ist aber kein Instrument, um Leute anzulocken, weil es nicht um eine Rundum-, sondern nur um eine Grundversorgung geht. Ich bin schon konsterniert, welche Ressentiments da gerade geschürt werden. Warum bestehen Sie denn so sehr auf der Karte? Die Gesundheitskarte entlastet Flüchtlinge, Verwaltung und Ärzte deutlich. Heute müssen Flüchtlinge bei Gesundheitsproblemen zuerst zum Amt gehen. Und dort muss dann jemand ohne medizinische Ausbildung beurteilen, ob diese Person einen Behandlungsschein für den Arzt kriegt oder nicht. Was werden die Grünen geben, wenn ihr Ministerpräsident Winfried Kretschmann am 24. September beim Flüchtlingsgipfel in Berlin die Karte fordert? Die Karte ist längst verhandelt. Die Einführung wurde bereits im vergangenen Jahr von der Kanzlerin verbindlich zugesagt. Die Karte ist also keine Verhandlungsmasse, wir erwarten einfach schnellstens Vollzug. Wenn die CDU-Fraktion im Bundestag nun gegen die Karte ist, versagt sie ihrer eigenen Kanzlerin die Gefolgschaft. In Berlin gibt es ja immer wieder Träume von einer schwarz-grünen Landesregierung im Südwesten. Gäbe es 2016 genug Gemeinsamkeiten? Damit eine Koalition fünf Jahre lang gute Politik für Baden-Württemberg machen kann, braucht sie ein inhaltliches Fundament. Das sehe ich mit der CDU nicht. Sie ist ja nur bemüht, alles was wir tun schlechtzureden, uns schlechtzureden, das Land schlechtzureden sowie Halb- und Unwahrheiten zu verbreiten. Trotzdem kann man sich wie in Hessen schnell zusammenraufen... Bei der CDU hier sind Konzepte bislang Mangelware, also sind inhaltlichen Schnittmengen gar nicht vorhanden. Es gibt auch keine großen Ideen, über die man sachlich diskutieren könnte. Es geht CDU und FDP um möglichst breite Zustimmung, nicht um den besten Weg für Baden-Württemberg. Dieses rein taktische Verhältnis zu politischen Inhalten finde ich grauenvoll. Ist inhaltliche Offenheit nicht gut für Koalitionsverhandlungen? Die Wählerinnen und Wähler haben den Anspruch zu wissen, was sie erwartet, wenn sie einer Partei ihre Stimme geben. Und bei uns wissen Sie, dass wir die erfolgreiche Politik der vergangenen fünf Jahre fortsetzen werden und Baden-Württemberg innovativ, weltoffen und vielfältig bleibt. Bei der CDU weiß man nichts, außer dass sie unbedingt zurück an die Macht will. Was hat Grün-Rot seit 2011 nicht geschafft, dass Sie nochmal fünf Jahre drauflegen wollen? Im Sommer vor fünf Jahren gab es erste Umfragen, die sagten, dass überhaupt ein Wechsel möglich war. Vorher lag doch eine Stimmung wie Mehltau über dem Land. Die Leute haben gedacht: Ist doch egal was passiert, die CDU regiert doch sowieso. Gottseidank ist der Wechsel gelungen. Wir haben wichtige Projekte in der Bildung, beim Umwelt- und Naturschutz und der Energiewende begonnen. Aber die vier Jahre haben noch nicht ausgereicht, damit die Saat vollends aufgeht. Wir wollen diese zarten Pflänzchen hegen und pflegen, damit Baden-Württemberg stark bleibt. Aber welche 2011 versprochenen Projekte sind nun noch offen? Wir haben noch ein paar wenige offene Themen, dazu gehört die anonymisierte Kennzeichnungspflicht für Polizisten bei Großlagen und die Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils zum Thema Kopftuch. Im Großen und Ganzen haben wir aber die vielen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag gut abgearbeitet. Die grüne Landespartei vermeldete schon 2014 einen Durchbruch bei der Kennzeichnungspflicht für Polizisten. Aber die SPD sträubt sich bis heute. Glauben Sie, dass sie es vor der Wahl noch hinbekommen? Wir nehmen die Gespräche jetzt nach der Sommerpause wieder auf. Die Kennzeichnungspflicht ist eines der sehr wenigen strittigen Themen in der Koalition. Insgesamt haben wir in den letzten viereinhalb Jahren sehr gut und geräuschlos regiert – auch in strittigen Fragen. Ich bin zuversichtlich, dass wir bei diesem Thema noch eine gute Lösung finden. Die CDU hat eine Wahlmöglichkeit zwischen achtjährigem (G8) und neunjährigem Gymnasium (G9) ins Spiel gebracht. Bei SPD und FDP gibt es Sympathien dafür. Stehen die Grünen bald alleine für G8? Wir haben im Land neben den allgemeinbildenden mit den beruflichen Gymnasien weit über 300 Schulen, in denen ein Abitur nach neun Jahren möglich ist. Wir haben diese Bildungswege stark ausgebaut und so Perspektiven geschaffen. Also keine Rückkehr zu G9? Zunächst einmal müssen wir dort verbessern, wo es bei G8 noch hakt. G8 leidet immer noch unter den Nachwehen einer überstürzten Reform der Vorgängerregierung unter Kultusministerin Annette Schavan (CDU). Daran sieht man, dass es der falsche Weg ist, Schulreformen von oben aus durchzudrücken. Was Sie ja auch tun... Nein. Wir setzen auf Freiheit. Wir ermöglichen den Schulen und Schulträgern die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen. Wir ermöglichen den Ausbau von Grund- zu Ganztagsschulen in den vor Ort gewünschten Varianten. Es hat sich bewährt, auf Landesebene einen Rahmen zu schaffen und vor Ort möglichst viele Spielräume zu lassen. Stehen also am Ende ausgerechnet nur die Grünen hinter Schavans G8? Wir haben berufliche Gymnasien, die G9 anbieten. Wir haben viele Gymnasien, an denen G8 gut funktioniert. Wir sollten die Frage der Qualität unserer Gymnasien nicht nur an der Zahl der Schuljahre festmachen. Es geht vielmehr um die Frage: Was findet in dieser Zeit statt? Wir müssen die Gymnasien bei der Weiterentwicklung ihrer Angebote unterstützen. Welche Parteien kommen am 13. März 2016 in den Landtag? Die CDU müsste es schaffen (lacht). Als zweitstärkste Partei die Grünen, dann die SPD. Bei allen anderen muss man schauen. Aber drei sind es auf jeden Fall.