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Grüne fordern individuelle Förderung statt Sitzenbleiben

Im vergangenen Schuljahr haben 13.316 Schülerinnen und Schüler im Land das Klassenziel nicht erreicht, das sind 1,2 Prozent aller Schüler. Doch wie sinnvoll ist es, eine Klasse zu wiederholen? Bildungswissenschaftler kritisieren schon lange, dass  Sitzenbleiben für den Staat sehr teuer und individuell in den meisten Fällen kontraproduktiv ist, weil die Schülerinnen und Schüler ihren Rückstand nicht aufholen. „Wir teilen diese Einschätzung“, sagt Sandra Boser, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Grüne im Landtag von Baden-Württemberg.  „Es geht bei der Kritik am Sitzenbleiben nicht darum, dass jemand mal länger fürs Lernen braucht, sondern darum, dass man sich Schülerinnen und Schülern mit Lernschwierigkeiten nicht einfach durchs Wegschieben in eine andere Klasse oder auf eine andere Schule entledigen kann und darf.“ Die Fraktion Grüne sei aber auch davon überzeugt, dass das Sitzenbleiben nur dann abgeschafft werden könne, wenn die Schulen dazu befähigt werden, ein entsprechendes Unterstützungssystem aufzubauen, in dem leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler früh aufgefangen und gefördert werden. „Wir haben bereits einiges für bessere individuelle Förderung (Begriff: Grünes Benchmark) getan, wie die Rückgabe einer Poolstunde an die Gymnasien oder die Einführung von Poolstunden an den Realschulen. Die  Abschaffung des Sitzenbleibens ist ein bildungspolitisches Ziel, das verfolgt werden muss, denn das Sitzenbleiben hat am Ende keinen positiven Effekt und kostet den Staat viel Geld.“ Nach einer Berechnung des Bildungsökonomen Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2009 kostet das Sitzenbleiben rund 1 Milliarde Euro pro Jahr. „Dieses Geld in Leistungsunterstützung und frühzeitige Förderung zu investieren, wäre der richtige Schritt.“ In diesem Zusammenhang sei es laut Boser absolut gerechtfertigt, über ein Abschaffen laut nachzudenken und die Erkenntnisse aus der Forschung in die Realität zu übertragen.
Falsche Bedenken – Befürworter des Sitzenbleibens argumentieren mit falschen Behauptungen:
Die Länder, die die Vermeidung des Sitzenbleibens anstreben, senken damit die Prüfungsanforderungen. Falsch! Die Prüfungsanforderungen werden nicht abgesenkt. Die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Bildungswesens wird geschwächt. Falsch! Viele erfolgreiche Bildungssysteme, wie in Skandinavien oder Japan, kennen das Sitzenbleiben gar nicht. Die Abschaffung des Sitzenbleibens ist blanker Unsinn, das ist bildungspolitischer und pädagogischer Populismus. Falsch! Die angestrebten Regelungen erhöhen den individuellen Lernerfolg und sparen Geld, das besser für individuelle Förderung eingesetzt werden kann. Eine  empirische Studie von Klaus Klemm hat gezeigt, dass es positive Lernerfolge nur in dem wiederholten Jahr gibt, die Sitzenbleiber aber schon im nächsten Jahr in ihren Leistungen wieder absinken. Das Sitzen hat keinen nachhaltigen positiven Effekt. Gleichzeitig gibt es keinen Nachweis für die vermutete negative Auswirkung für die anderen Schülerinnen und Schüler in der Klasse.