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Studierendenwerke vor neuen Herausforderungen

Der AK Wissenschaft, Forschung und Kunst hat das Fachgespräch „Studierendenwerke vor neuen Herausforderungen“ zum Anlass genommen, gemeinsam mit dem Koalitionspartner den Antrag „Leistungen der baden-württembergischen Studierendenwerke würdigen – bewährte Strukturen erhalten“ einzubringen. Die Antwort des Ministeriums auf Drs. 15/6257 liegt inzwischen vor. Steigende Studierendenzahlen, die Bologna-Reformen, neue Erwartungen hinsichtlich Internationalität und Nachhaltigkeit – das sind nur einige der Herausforderungen, vor denen Studierendenwerke heute stehen. Daniel Lede Abal als zuständiger Fachabgeordneter der Fraktion GRÜNE hatte deswegen im November 2014 zum Gespräch über veränderte Aufgaben und möglichen Anpassungsbedarf der inneren Strukturen der Studierendenwerke eingeladen. Studierende, GeschäftsführerInnen von Studierendenwerken, VetreterInnen der Beschäftigten und der Hochschulleitungen sowie des Wissenschaftsministeriums folgten dieser Einladung zum offenen und lebhaften Austausch über neue Herausforderungen. Eingangs skizzierte Lede Abal kurz die Veränderungen, die sich durch die im April 2014 beschlossene Novelle des Hochschulrechts für die Studierendenwerke ergeben haben. Neben der in der Presse breit diskutierten Namensänderung  ist hier insbesondere die engere Anbindung zwischen Studierendenwerk und Verfasster Studierendenschaft zu nennen, die sich etwa in Informationspflichten und in der Wahl der studentischen Mitglieder der Vertretungsversammlung durch die Verfasste Studierendenschaft niederschlägt. Neu für Baden-Württemberg ist die Möglichkeit für die Personalratsvorsitzenden, an den Sitzungen des Verwaltungsrates beratend teilzunehmen. Nicht zuletzt gibt es neue Anforderungen hinsichtlich der Transparenz und der Berücksichtigung der Nachhaltigkeit bei der Erfüllung der Aufgaben. Steigende Studierendenzahlen – zunehmend international Als Impulsreferent für die Diskussion konnte Achim Meyer auf der Heyde gewonnen werden, der als Generalsekretär des Dachverbands Deutsches Studentenwerk e.V. (DSW) einen Überblick über die bundesweiten Herausforderungen gab. Meyer auf der Heyde sprach von vier Herausforderungen, vor denen Studierendenwerke stehen: (1) die anhaltend hohen Studierendenzahlen, (2) die Frage der Internationalisierung des Studiums und damit auch der Studierenden, (3) die Problematik neuer Aufgaben bei bundesweit rückläufigen Finanzhilfen sowie (4) die insgesamt zunehmende Diversität der Studierenden. Mit Blick auf die immer wieder nach oben korrigierten KMK-Prognosen und die hohen Übergangsquoten vom Bachelor zum Master geht Meyer auf der Heyde von anhaltend hohen Studierendenzahlen bis mindestens ins Jahr 2024 aus. Dies führe zur Notwendigkeit, Mensaplätze, das Kitaangebot für Kinder von Studierenden, aber auch Beratungs- und Betreuungsangebote auszubauen. Vor besonders großen Herausforderungen stünden die Studierendenwerke im Bereich studentischen Wohnens. Bei all diesen Feldern fehle es an einem „Hochschulsozialpakt“, der parallel zum Hochschulpakt zwischen Bund und Ländern auch den Ausbau der sozialen Infrastruktur absichert. Entsprechend fordere der DWS ein Bund-Länder-Programm zum Ausbau studentischer Wohnheimplätze. Ein zweiter Faktor, der die Aufgaben der Studierendenwerke verändert, sei die politisch vorangetriebene Internationalisierung des Studiums, die in der im April 2013 von der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz beschlossenen Internationalisierungsstrategie ihren Niederschlag gefunden habe. Meyer auf der Heyde forderte, das politische Ziel, die Zahl von Studierenden aus dem Ausland zu erhöhen, auch finanziell zu untermauern. Wer neue Aufgaben an die Studierendenwerke vergebe, solle diese auch bezahlen. Dies sei bisher nicht der Fall. Zudem sei der Beratungsbedarf für internationale Studierende höher; gleiches gelte für den Bedarf an Wohnheimplätzen. Statt von einer Entspannung bei der Zahl der Studierenden sei mittelfristig von einer Verschiebung auszugehen. Meyer auf der Heyde wies auf die wichtige Rolle der Studierendenwerke bei der Integration internationaler Studierender hin, etwa über WohnheimtutorInnen, Freizeitangebote, die Sozialberatung. In Zukunft sei hier eine engere Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Studierendenwerken notwendig. Neue Aufgaben – wer zahlt dafür? Bezüglich der Finanzsituation verwies Meyer auf der Heyde auf bundesweit rückläufige Zuschüsse an die Studierendenwerke. Der Anteil der Finanzhilfen der Länder am Budget der Studierendenwerke sei rückläufig – während diese in den 1990er Jahren noch rund ein Viertel des Budgets ausmachten, seien es heute nur noch zehn Prozent. Aufgefangen werde dies durch selbst erwirtschaftete Einnahmen sowie durch die Beiträge  der Studierendenwerke. Allerdings  sei angesichts der Gemeinnützigkeit und des gesetzlich vorgegebenen Sozialauftrags der Studierendenwerke bei diesen beiden Posten eine Grenze erreicht. Dementsprechend forderte er eine deutliche Erhöhung der Landeszuschüsse. Auch im Hochschulfinanzierungsvertrag zwischen Land und Hochschulen fehlten die Studierendenwerke. Ein besonderes Problem sei die zunehmend verlangte Mitfinanzierung von Investitionen in Mensen, die sich nicht im Besitz der Studierendenwerke befänden. Sowohl die Bologna-Reformen als auch die Internationalisierung des Studiums führten zu einer höheren Vielfalt. Dieser Diversität gerecht zu werden, sei eine zentrale Herausforderung. So seien Studierenden heute einerseits jünger und sozial heterogener, andererseits gebe es zunehmend auch ältere, nicht-klassische Studierende, etwa bei der Teilnahme an Masterstudien in späteren Lebensphasen oder dem Studium nach einer Ausbildung. Auch die besonderen Bedürfnisse von Studierenden mit Migrationshintergrund, Studierenden mit Kind oder Studierenden mit einer Behinderung oder einer chronischen Krankheit seien zu berücksichtigen. Meyer auf der Heyde widersprach in diesem Zusammenhang – mit Verweis auf die Praxis in den USA und im asiatischen Raum – auf die vielfach von Rechnungshöfen aufgestellte Forderung, dass Studierende sich auf Kernaufgaben zu konzentrieren hätten. Gerade die psychosoziale Beratung oder auch die Kinderbetreuung sei für den Studienerfolg wichtig und damit – in Abstimmung mit den Hochschulen – wichtiger Teil des Gesamtpakets der Studierendenwerke. Wer ist zuständig? Abstimmungsbedarf zwischen Hochschulen, Studierendenwerk, Kommunen und Verfassten Studierendenschaften Die anschließende Diskussion gliederte sich in zwei Teile. Zunächst standen die neuen Aufgaben der Studierendenwerke im Mittelpunkt, während anschließend die innere Struktur und der Aufbau diskutiert wurden. Als ein zentrales Thema bezüglich neuer Aufgaben der Studierendenwerke wurde erneut die Internationalisierung der Hochschullandschaft und der zunehmende internationale Wettbewerb um Studierende genannt. Aufgaben wie die Betreuung von Studierenden aus dem Ausland – vom Wohnraum bis zur Beratung und zur Integration – gehören zum „Paket“ einer Willkommenskultur. In der Diskussion hierzu zeigte sich an diesem Beispiel die jetzt schon gegebene Notwendigkeit für Hochschulen und Studierendenwerke, eng zusammenzuarbeiten. Ähnlich sieht dies auch im Hinblick auf die heterogener werdende Studierendenschaft insgesamt aus. Genannt wurde hier unter anderem die Kinderbetreuung für Studierende mit Kind – die allerdings vorrangig kommunale Aufgabe ist – aber auch das Thema älterer, beruflich bereits qualifizierter Studierender sowie mit den Veränderungen beim Abitur und dem Wegfall von Wehrdienst/Zivildienst zunehmend auch das Thema minderjähriger Studierender. Auch die Notwendigkeit beispielsweise an Barrierefreiheit ausgerichteter Wohnheimplätze für Studierende mit Behinderung wurde angesprochen. Übergreifende Fragen hierbei waren immer wieder die Abgrenzung der Aufgaben zwischen Hochschule, Studierendenwerk, Verfasster Studierendenschaft und Stadt.  Deutlich wurde dabei, dass die Studierendenwerke schon jetzt große Flächen abdecken, was die zunehmend wichtigere Kooperation zwischen diesen Einrichtungen erschwert. Einhellig wurden deswegen in der Debatte weitere Fusionspläne abgelehnt. Seitens der Studierendenwerke wurde noch einmal betont, dass neue Aufgaben auch mit einer ausreichenden Finanzierung einhergehen müssen. Die Anstrengungen des Landes in diesem Bereich wurden zwar gewürdigt, weitere Aufgaben seien jedoch nur mit entsprechend höheren Zuschüssen zu stemmen. Je größer die Fläche, desto schwieriger die Kommunikation Mit Blick auf die inneren Strukturen der Studierendenwerke wurde in der Diskussion zum einen die Bedeutung eines großes Freiraums für leistungsfähige Studierendenwerke angesprochen. Eine geringere Regelungsdichte sei hier besser als zu enge Vorschriften. Dass der Personalrat jetzt mit beratender Stimme im Verwaltungsrat vertreten ist, wurde positiv aufgenommen. Aus einigen Studierendenwerken wurde berichtet, dass die neu eingeführte Verfasste Studierendenschaft dazu geführt habe, dass über lange Jahre etablierte Kommunikationswege zu den unabhängigen Studierendenvertretungen jetzt neu aufgebaut werden müssten. Die enge Kommunikation mit der Studierendenschaft sei wichtig, stehe aber in einigen Städten noch am Anfang. Ein wichtiges Thema in der Debatte war immer wieder die Frage der regionalen Struktur. Die derzeitige Größe der Studierendenwerke würde funktionieren, auch wenn teilweise sehr große Flächen abgedeckt werden. Weitere Zusammenlegungen wurden jedoch einhellig abgelehnt.