Klima und Energie

Grüne diskutieren über soziale Energiewende

Die Frage nach den Kosten der Energiewende ist in Europa zur sozialen Frage geworden: In Frankreich haben Steuererhöhungen Tausende Demonstranten zu Protesten auf die Straßen getrieben. Auch in Deutschland sieht sich die Energiewende dem Vorwurf ausgesetzt, der Umstieg auf Erneuerbare Energien sei ein Preistreiber und daher unsozial.  Welche Pläne gibt es für eine soziale Energiewende, die Haushalte mit geringem Einkommen entlasten kann?

Wie kann eine gute Energiepolitik klimapolitische Instrumente so einsetzen, dass für Geringverdiener die Kosten möglichst abgefedert werden? Diesen Fragen gehen Experteinnen und Experten mit den grünen Abgeordneten Jutta Niemann und Thomas Poreski bei einem Fachgespräch im Stuttgarter Landtag nach.

Energiewende und Klimaschutz haben auch eine soziale Dimension. Menschen mit geringen Einkommen haben in der Regel den kleinsten CO2-Fußabdruck, weil sie sich Urlaubsflüge oder große Autos gar nicht leisten können. Trotzdem müssen sie im Vergleich mit anderen Einkommensgruppen prozentual viel mehr ihres Einkommens für Energie aufwenden.

Reformen in diesem Bereich haben deshalb soziales Konfliktpotential. Das zeigt das Beispiel der Gelbwestenproteste in Frankreich, die unterschiedliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Hintergründe haben, sich aber konkret an einer schlecht gemachten und wenig sozialen Ökosteuerreform entzündet haben.

Deshalb haben Jutta Niemann (energiepolitische Sprecherin) und Thomas Poreski (Vorsitzender des Arbeitskreises für Soziales und Integration) das Fachgespräch „Klimaschutz – aber fair! Ansätze für eine Sozialverträgliche Energiewende“ durchgeführt.

Jutta Niemann fasst die Ziele des Fachgesprächs zusammen: „Den Klimaschutz zu verzögern, ist unsozial. Denn schon heute leiden die am meisten unter den Folgen der Klimakrise, die am wenigsten dazu beitragen. Wir wollen Klimaschutz und Energiewende für alle und wollen Lösungen finden, die alle mitnehmen. Klimaschutz und Sozialpolitik können zusammen voran gebracht werden.“

Ergebnisse des Fachgesprächs

  • Sophie Peter vom Institut für Sozialökologie stellte das Konzept der sozialen Nachhaltigkeit vor: ein umfassender Ansatz, der Ökologie, Menschenrechte und die Rechte der zukünftigen Generationen zusammenbringt und seinen Niederschlag in den UN-Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030 gefunden hat.
  • Ursula Sladek, Mitgründerin der EWS Schönau, stellte die CO2-Abgabe vor. Die CO2-Abgabe ist ein Instrument, das fossilen Energien endlich ihren wahren Preis geben und Erneuerbare Energien endgültig wettbewerbsfähig machen würde. Richtig ausgestaltet kann es auch sozial wirksam werden, etwa indem die Abgabe alle Steuern und Abgaben auf Strom ersetzt und so Strom deutlich günstiger wird. Das macht auch den Einsatz von erneuerbaren Wärmepumpen und E-Mobilität deutlich attraktiver.
  • Der Verein CO2-Abgabe hat ganz konkrete Beispiele gerechnet, wie sich der CO2-Preis (zu Beginn 40 Euro pro Tonne) auf unterschiedliche Haushalte auswirken würde. Die meisten Haushalte würden erst einmal sparen, so Sladek. Um auch für die Zukunft höhere Kosten zu vermeiden, müssten sie dann in entsprechende Erneuerbare Energien und Einsparungen investieren. Ein interessantes Beispiel für einen lokalen CO2-Handelsansatz ist die Region Kaindorf in Österreich.
  • Thomas Poreski fasst die Ergebnisse zur CO2-Abgabe zusammen: „Die Energiewende ist nicht nur da für den Klimaschutz, sondern auch ein soziales Projekt. Wenn wir die Stromsteuer durch eine CO2-Abgabe ersetzen, werden gerade Menschen mit geringem Einkommen entlastet.“ 

  • Katja Hünecke vom Öko-Institut hat politische Instrumente untersucht, mit denen andere EU-Staaten Menschen, die von Energiearmut bedroht sind oder darunter leiden, unterstützen. Dabei hat sie auch untersucht, was davon auf Deutschland übertragbar wäre. Ihr Fazit: Instrumente gegen Energiearmut müssen zielgruppengenau gestaltet sein – für Rentner*innen oder Arbeitslose braucht es jeweils eigene, passgenaue Ansätze – und Information und Beratung sind zentrale Bestandteile.

  • Heiner Heizmann und Michael Schinko von der Caritas stellten den Caritas Energiesparcheck vor, bei dem geschulte ehemalige Langzeitarbeitslose Menschen, die Sozialleistungen bekommen, zu Hause zu Energieeinsparungen beraten und Maßnahmen wie LED-Lampen oder Spartasten am WC direkt umsetzen. Das führt zu direkten Einsparungen, die für die Menschen finanziell viel ausmachen.

Das ziehen wir Grüne aus den Gesprächen:

Unser Fazit aus der spannenden Diskussion ist eindeutig: Energie- und Klimaschutzpolitik und Sozialpolitik müssen zusammen gedacht und weiterentwickelt werden. Ideen aus dem Fachgespräch wollen wir in einem Positionspapier zu sozialem Klimaschutz ausarbeiten und Ideen und Ansätze in den Prozess der Weiterentwicklung des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzeptes einbringen.

Eine konkrete und greifbare Energieberatung wie die der Caritas sollte es auch für andere Bevölkerungsgruppen geben, auch Wärme und Mobilität sollten Bestandteil solcher Beratungsangebote werden.

Mobilität und Mobilitätsarmut sind zentrale Themen für Menschen, die sich Mieten in der Stadt nicht leisten können. Auch hier könnte die CO2-Abgabe gute Dienste leisten, indem mit ihr Unterstützungsmaßnahmen im Bereich ÖPNV, alternative Mobilität etc. finanziert werden.

Gut wären auch Beratungsangebote in unterschiedlichen Sprachen. Auch Beratung und Anreizprogramme für Energieeffizienz und Erneuerbare für gut verdienende Menschen ist eine Forderung: Der absolute Energieverbrauch ist hier am höchsten, aber die Kosten sind in der Regel kein Anreiz zum Sparen. Die höheren Anschaffungskosten für AAA+-Geräte sind kein Problem, dafür wird die Einsparung durch mehr oder größere Geräte wieder verloren, Stichwort Rebound-Effekt. Menschen mit geringen Einkommen haben dafür in der Regel gar keinen finanziellen Spielraum.

Im Bereich Wärmewende und Energieeffizienz spielt das Mieter*innen-Vermieter*innen-Dilemma in Deutschland eine große Rolle: der Anteil von Mieter*innen ist in Deutschland sehr hoch, die Kosten von Renovierungen und Effizienzmaßnahmen werden immer auf die Miete umgelegt werden. Hier müssen wir politisch kreativ werden, um dieses Dilemma aufzulösen.

Ideen aus dem Fachgespräch wollen wir in einem Positionspapier zu sozialem Klimaschutz ausarbeiten und Ideen und Ansätze in den Prozess der Weiterentwicklung des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzeptes einbringen.

Die Bilanz unserer Abgeordneten:

Jutta Niemann: „Wir wollen Energiewende und Klimaschutz voran bringen und zwar als gesamtgesellschaftliches Projekt. Zentral ist, dass die Instrumente den Klimaschutz voran bringen und gleichzeitig akzeptiert werden. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass neue Regelungen und Instrumente unkompliziert sind.“

Thomas Poreski: „Es ist unsere Aufgabe als Politiker*innen, Ängste abzubauen und Beteiligung zu organisieren. Die Energiewende ist nicht nur eine politisch-technokratische Angelegenheit, sondern auch eine demokratische. Alle Bürger*innen können von der Energiewende profitieren“