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Grüne sagen Fake-Bewertungen im Internet den Kampf an

Weihnachten ist längst vorbei. Alle Jahre wieder können sich Verbraucherinnen und Verbraucher auf lange Warteschlagen vor den Postfilialen einstellen. Denn zahlreiche Online-Käufe haben sich als Reinfall entpuppt – in vielen Fällen auch deshalb, weil gefälschte Bewertungen in Online-Shops mehr versprechen als sie halten.

Fake-Rezensionen sind eine Seuche im Netz. Doch noch gibt es kein geeignetes Mittel, um Betrüger zu stoppen, sagt der Sprecher für Verbraucherschutz, Martin Grath.

Das Problem von gefälschten Bewertungen reicht von Arztportalen bis Online-Shops: Mittelmäßige oder schlechte Produkte und Dienstleistungen erhalten im Internet erstklassige Bewertungen. Auch verdeckte oder beeinflusste Produkttests können zu einer Verzerrung beitragen. Nicht immer geben diejenigen Verbraucher eine Wertung ab, die wirklich ein Produkt gekauft haben.

Ein weiteres Problem stellen gekaufte Rezensionen dar – denn nur wenige Nutzer sind bereit, kostenlose Bewertungen abzugeben. Grath: „Manipulationen bei Online-Bewertungen sind selbst für aufmerksame Verbraucher auf den ersten Blick nicht erkennbar.“

Viele Konsumenten lassen sich von Online-Rezensionen leiten

Das Thema gefälschte Rezensionen ist aktueller denn je: In kaum einem Jahr haben Verbraucherinnen und Verbraucher vermutlich so viele Weihnachtsgeschenke virtuell gekauft wie 2020. Dabei spielen Online-Bewertungen bei der Kaufentscheidung eine große Rolle. In einer Studie von 2018 geben neun von zehn Internetnutzern an, sich vor einem Online-Kauf auf einem Portal schlau zu machen und sich auch von Bewertungen beeinflussen zu lassen. Nach einer Bitkom-Umfrage von Januar 2020 nutzen 56 Prozent der Online-Shopper Bewertungen als Entscheidungshilfe.

Das Bundeskartellamt stellt in einer Untersuchung vom Oktober 2020 fest, dass „viel mehr positive als negative Bewertungen“ in Online-Portalen abgegeben werden, entweder „weil die Abgabe negativer Bewertungen erschwert wird oder weil im Verlauf des Filterprozesses und der nachträglichen Kontrolle aufgrund von Beschwerden systematisch mehr negative als positive Bewertungen gelöscht werden.“ Nach Angaben des Bundeskartellamts könnten Portale allerdings mit „vertretbaren Aufwand“ für mehr Transparenz und mehr authentische Bewertungen sorgen – wenn sie den wollten.

Geplantes Bundesgesetz springt zu kurz  

Die Bundesregierung will das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht überarbeiten, um gefälschten Bewertungen einen Riegel vorzuschieben. Demnach sollen zwei neue Verbote eingeführt werden: Bewertungen dürfen nur dann veröffentlicht werden, wenn die Plattformen nachweisen, dass die Echtheit überprüft und kontrolliert wird.  Gefälschte Bewertungen dürfen nicht verwendet werden. Der Haken ist nur, dass der Entwurf keine Kontrollverpflichtung für die öffentliche Hand vorsieht. Er setzt auf eine zivilrechtliche Kontrolle, das kann bei der Größe und der Fülle der Plattformen nicht funktionieren.

Dennoch gibt es auch einen Lichtblick, so Grath: „Die EU-Kommission hat den sogenannten „digital service act“ vorgelegt, der die Mitgliedsstaaten mit der Überwachung von Plattformen beauftragen soll. Hier sind Produktbewertungen ausdrücklich eingeschlossen. Auch die Kommission selber will in die Überwachung einsteigen. Das halten wir für den richtigen Weg. Eine staatliche Überwachung muss dringend eingeführt werden", sagt Grath.

Bewertung und Forderung der Grünen Fraktion

Der verbraucherschutzpolitische Sprecher Martin Grath: „Klar ist: Die bisherige Regulierung auf der EU-Ebene reicht nicht aus. Und auch das Vorhaben der Bundesregierung ist unzureichend. Im Kern laufen die beiden Positionen nicht über die aktuelle Empfehlung des Bundeskartellamts hinaus. Die amtliche Empfehlung lautet: Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich selbst rechtlich zur Wehr setzen. Eine reine zivilrechtliche Kontrolle ist aber im riesigen Dschungel der Online-Bewertungen nicht leistbar.“ 

Er kritisiert die Haltung der Bundesregierung:  „Bei Fake-Bewertungen im Internet lässt die Bundesregierung die Verbraucherinnen und Verbraucher im Regen stehen. Wenn es nach ihr geht, müssten die Online-Käufer bei jedem Verdachtsfall selbst klagen - oder sich auf namhafte Organisationen wie Stiftung Warentest verlassen. Angesichts der unüberschaubaren Zahl an Produkten und dem Einfluss von Online-Bewertungen kann man diese Aufgabe aber nicht den Verbrauchern überlassen. Die Frage ist: Welche Tests stammen von unabhängigen Nutzern, welche sind dagegen nicht authentisch, gekauft oder manipuliert? Der Gesetzgeber muss hier für Transparenz und faire Informationsbedingungen sorgen.“

Grath: Überwachungsbehörde analog zu Lebensmittelkontrolle muss kommen

Er fordert deshalb eine politische Initiative, die über bisherige Vorhaben hinausgehen: „Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht auf authentische Bewertungen. Genauso wie eine Sicherheitsbehörde für Lebensmittel brauchen wir eine Sicherheitsbehörde, die sich um Online-Rezensionen kümmert. Eine Lösung sind Online-Kontrollen analog zur Lebensmittelkontrolle. Wir brauchen diese hoheitlichen Überwachungsrechte über Plattformen und Prozesse. Das können wir nicht den Vereinen und Verbänden überlassen", sagt Grath.

„Wir fordern die Landesregierung deshalb auf, eine Bundesratsinitiative gegen Fake-Bewertungen zu starten. Ziel muss es sein, eine staatliche Überwachung der Plattformen einzuführen, ähnlich dem System der Lebensmittelkontrolle. Außerdem sollen die strafrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Die Kommission geht mit dem digital service act, einer Art Spielregelkatalog für Onlinedienste, in die richtige Richtung. Den muss die Bundesregierung unterstützen. Verbraucherinnen und Verbraucher dürfen nicht länger organisierten, bezahlten Betrügereien aufsitzen.“