Die AKWs gehen aus – aber die Aufgaben gehen weiter

Stuttgart – Mit dem Ende der Atom-Ära beginnt nun endgültig das Zeitalter der erneuerbaren Energien. Für die Politik stehen in den kommenden Jahrzehnten herausfordernde Aufgaben an - von der Suche nach einem geeigneten Atommüll-Endlager bis zum Ausbau von Wind- und Solarenergie, sagt der umweltpolitische Sprecher der Fraktion Grüne, Niklas Nüssle, anlässlich des bevorstehenden deutschen Atomausstiegs am 15. April (Samstag).

Nüssle: „Das Ende der Atomkraft in Deutschland ist besiegelt. Raus aus der Risiko-Technologie - das ist richtig so! Fukushima hat gezeigt, wie unkontrollierbar Atomkraft sogar in Hochtechnologieländern wie Japan ist. Jahrzehntelang haben wir Grüne Widerstand gegen Pannen- und Risikomeiler geleistet. Diese Beharrlichkeit wird nun belohnt: Das Zeitalter der Hochrisikotechnologie ist endlich beendet.“

Erleichtert – aber nicht euphorisch

„Das löst bei mir Erleichterung aus - aber keine Euphorie“, sagt Nüssle. „Denn seit mehr als einem Jahr befinden wir uns infolge des russischen Aggressionskriegs in einer besonderen Situation. Daher war es richtig und notwendig, das endgültige Aus für die Atomkraft um mehrere Monate zu verschieben, um alle Kräfte der Energieversorgung zu mobilisieren - wenn auch der Beitrag der Atomkraft zur Stromproduktion gering ausfiel.

Wer nun eine Rückkehr zur Atomkraft fordert, sollte sich mit den vielen Gründen befassen, die dagegen sprechen: So erfolgt die umweltschädliche Urangewinnung vor allem in autokratischen Staaten, die Gefahr eines Gaus kann nicht gebannt werden und die Frage nach einem Endlager für den hochradioaktiven Atommüll bleibt weiterhin unbeantwortet. AKWs können außerdem nicht so einfach ein- und ausgeschaltet werden wie Elektrogeräte. Ein weiterer Aspekt ist, dass jede Investition in Brennstäbe oder in die Lagerung von Atommüll, beim Ausbau von Wind- und Sonnenenergie fehlt.“

Ausbau erneuerbarer Energien hat Top-Priorität

Auch der Blick auf die Atomenergiepolitik der Nachbarländer habe eine ernüchternde Wirkung, denn hier wird schon heute die Klimakrise deutlich: Niedrige Wasserstände und zu warmes Wasser werden für die Meiler in Frankreich und in der Schweiz immer mehr zum Problem. Nüssle weiter: „Ganz geschweige von den technischen Problemen, die schon so manchem Kraftwerk das Genick gebrochen haben. Angedachte Neubauvorhaben sprengen europaweit jeden Zeit- und Kostenrahmen und entwickeln sich zum Klotz am Bein für die Energiewende und den Klimaschutz.“

Weltweit wächst das Bewusstsein dafür, dass die Atomkraft unrentabel und hochgefährlich ist – und das aus guten Gründen. Der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) zufolge sinkt seit 2018 die installierte Leistung rasant.1996 sorgte Atomkraft für 17,5 Prozent der weltweiten Bruttostromerzeugung. 2021 waren es nur noch 9,8 Prozent. 

Ist die Stromversorgung nach dem Ausstieg gesichert?

Dazu Nüssle: „Trotz Atomausstieg und vorgezogenem Kohleausstieg gibt es keine Stromversorgungslücke. AKWs hatten im März 2023 nur noch einen geringen Anteil von fünf Prozent an der Stromerzeugung. Der Anteil der AKWs an der Stromerzeugung wird durch flexible Kraftwerke (Gas und Kohle) und durch Erneuerbare Energien ersetzt.

Man muss dazu wissen: Atomkraftwerke sind viel schlechter regelbar als anderen Kraftwerke. Außerdem fallen 80 Prozent der Betriebskosten auch dann an, wenn gar kein Strom produziert wird. Deswegen sind AKWs im Mix mit vielen Erneuerbaren ungeeignet. Trotz steigendem Strombedarfs wird der Ausbau der Erneuerbaren Energien und steigende Energieeffizienz dafür sorgen, dass uns Strom in Zukunft deutlich günstiger zur Verfügung steht.“

Wie geht’s weiter – und wohin mit dem Atommüll?

Es ist also höchste Zeit, dass mit den Erneuerbaren Energien nun endlich ein neues Zeitalter der sauberen und nachhaltigen Technologien beginnt. „Für uns Grüne in Baden-Württemberg hat  der Ausbau von Sonnen- und Windkraft, von Wasserkraft, Biomasse und Geothermie deshalb Top-Priorität. Denn nur mit der Abkehr von den veralteten Meilern und dem Wechsel auf 100 Prozent erneuerbaren Energien sind wir frei, unabhängig und gut aufgestellt für die Zukunft. Mit unserem ehrgeizigen Klimaschutzgesetz, mit der Task-Force zur Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren und mit unzähligen großen und kleinen Maßnahmen sind wir schon viele Schritte auf diesem Weg gegangen. Heute folgt ein weiter entscheidender Sprung nach vorn.

Es bleibt nun unsere Aufgabe, eine sichere Lösung für das strahlende Erbe der vergangenen Jahrzehnte zu finden. Ein Endlager muss der sicherste Ort der Welt sein, um den Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor radioaktiver Strahlung für tausende kommende Generationen zu gewährleisten. Den Prozess rund um den AKW-Rückbau werden wir weiter eng begleiten. Ebenso wie die Suche nach dem Endlager für den giftigen, radioaktiven Abfall. Ich rechne damit, dass wir uns damit mindestens bis tief in dieses Jahrhundert auseinandersetzen werden“, so Nüssle.