Wirtschaft und Arbeit

Tok: Mehr Einsatz für Risikokapital nötig

Spitzenstellung bei Start-up-Hochschulen, Nachholbedarf beim Risikokapital: Der parlamentarische Antrag des Sprechers für Wirtschaft, Tayfun Tok, hat neue Erkenntnisse zum Start-up-Standort Baden-Württemberg hervorgebracht.

In Baden-Württemberg ist der andauernde Rückgang bei Betriebsgründungen gebrochen. „Im Jahr 2020 gab es 4,6 % mehr Existenzgründungen. Im 1. Halbjahr 2021 stieg im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr die Zahl der Neugründungen sogar um 19,6 %“, berichtet das Wirtschaftsministerium. Als Land liegen wir hier sogar über dem bundesweiten Trend, merkt Tok an.

Eine Spitzenstellung nimmt Baden-Württemberg auch bei Hochschulen ein: Beim Thema Gründungen an Hochschulen und Unis liegen BW-Hochschulen vorne. Allein vier Hochschulen sind in den Top 20 der Mittleren Hochschulen; darunter der Spitzenreiter, die Hochschule Aalen auf Platz 1, die Hochschule der Medien Stuttgart auf Platz 3, die Hochschule Reutlingen auf Platz 6 und die Hochschule Esslingen auf Platz 11. Im Vergleich des aktuellen Gründungsradars des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft sind in der Gruppe der großen Hochschulen (>15.000 Studierende) mit dem Karlsruher Institut für Technologie und der Universität Stuttgart zwei Universitäten in den Top 12. „Gründe dafür: Im Gegensatz zu Bayern und Berlin sind wir dezentral aufgestellt und verstehen das als Stärke. Zudem sind die Gründungsprogramme hierzulande sehr erfolgreich“, sagt Tok.

Noch nicht ganz rund läuft dagegen das Sammeln von Risikokapital in Baden-Württemberg. Dazu das Wirtschaftsministerium in seiner Auskunft: „Aktuelle Studien aus den Jahren 2020 und 2021 zeigen, dass nicht alle Bedürfnisse der kapitalsuchenden Unternehmen ausreichend abgedeckt werden und dass durch die partielle Zurückhaltung der privaten Investoren in der sehr frühen Phase Verbesserungspotentiale bei der Finanzierung junger und wachstumsorientierter Unternehmen in der Seed-Phase bestehen.“

Tayfun Tok bewertet den Zwischenstand zur Start-up-Entwicklung in Baden-Württemberg so: „Mehr privates Wagniskapital im Land einsammeln – das ist unser Ziel. Investoren und Start-ups benötigen mehr Vernetzung. Deshalb fordern wir die Wirtschaftsministerin auf, einen Runden Tisch einzurichten, wo beide Seiten zusammenfinden und sich austauschen können.

Wie notwendig diese Art von Vernetzung ist, das zeigt allein das letzte Jahr, das als das Jahr der Einhörner galt. Jedoch kam keines der Unternehmen, das die magische Milliardenschwelle überschritt, aus the Länd. Das ist bedauerlich!

Der Start-up-Standort Baden-Württemberg muss zudem weltweit sichtbar gemacht werden. Auch hier ist die Wirtschaftsministerin gefragt, Strategien zu entwerfen. Dennoch kann das meiste Geld realistischerweise nur gezielt im Land eingesammelt werden – denn bei den großen Finanzierungsrunden im Ausland haben unsere Start-ups das Nachsehen.

Hier sehe ich unsere Aufgabe darin, vor allem jene Start-ups zu pushen, die die Gesellschaft mit ökologisch und sozialen Innovationen nach vorne bringen – zum Beispiel mit gezielten Förderprogrammen.

Social Entrepreneurship gibt uns die Chance, gesellschaftliche Probleme durch Unternehmen zu lösen. Green Tech in den Bereichen Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz sind die Wachstumsmärkte, die wir bespielen müssen. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass Startups auf dem Weg zu erfolgreichen Unternehmen zwischendurch nicht die Puste ausgeht. Mit Start-up BW PreSeed haben wir ein erfolgreiches Instrument aus Israel übernommen und hierzulande etabliert. In der frühen Phase der Start-ups helfen wir damit, private Investoren zu finden.

Ist das geschafft, beginnen jedoch für viele erst die Mühen der Ebene. Hier müssen wir nachlegen. Deswegen werden wir unsere Wagniskapitalangebote zu einer Start-up-Fondslandschaft ausbauen. Wir wollen als Land in jeder Phase ein sicherer und starker Partner sein. Als Mittelstandsland gilt es auch, den Mittelstand von morgen in allen Phasen zu unterstützen.“


Im Folgenden Ausschnitte der Parlamentsrede von Tayfun Tok, die er am 23. März im Landtag hielt. Die gesamte Rede finden Sie am Ende dieser Seite.


„Vom Fahrrad bis zum Automobil – vom Windrad bis zum Hochdruckreiniger. Erfindergeist gehört zur DNA unseres Landes. Damit wir weiterhin weltweit vorne mitspielen und nicht zerrieben werden zwischen den Tech-Giganten aus den USA oder China. Dazu tragen unsere Gründerinnen und Gründer einen wesentlichen Teil bei. Ihnen gebührt mein Respekt", sagt Tayfun Tok in seiner Rede.

Bedeutung der Start-ups für den Wirtschaftsstandort BaWü

„Wenn wir über eine erfolgreiche Start-up-Szene reden, reden wir nicht nur von neuen kreativen Ideen und technologischen Innovationen. Wir reden über den Innovations- und Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg. Start-ups sind Innovationsmotor für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft. Start-ups bringen uns digital nach vorne. Und Start-ups bringen uns mit der ökologischen Modernisierung nach vorne. Das ist doch der Mittelstand von morgen, den wir brauchen.  

Eine durchdachte und nachhaltige Start-up-Politik ist deshalb alles andere als ein „Nice to have“-Thema. Im Gegenteil: Start-ups sind Treiber schneller Veränderungsprozesse bei der Transformation der Wirtschaft.  Sie sind ein Gradmesser für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts.

Und hier haben wir in den letzten Jahren viel erreicht! Unsere Unterstützungsangebote für Start-ups wirken! Baden-Württemberg gehört zu den Top Start-up-Hot-Spots in Deutschland. Auch beim Finanzierungvolumen zählen wir zu den Spitzenreitern. Baden-Württembergische Start-ups konnten – trotz Coronakrise – in 2021 knapp 4 Mal so viel Kapital einwerben wie 2020.

Die Erfolgsgeschichten sind beeindruckend und zeigen: Baden-Württemberg ist und bleibt eine der innovativsten und gründerfreundlichsten Regionen. Wir haben Gründungshotspots in allen Landesteilen. Das bestärkt die erfolgreiche dezentrale Gründungspolitik des Landes.

Diese Erfolge überraschen mich nicht. Besonders dynamische Gründungsstandorte entstehen dort, wo Menschen, Wissen und Chancen miteinander vernetzt sind. Dafür haben wir in den vergangenen Jahren die richtigen Weichen gestellt. Auch mit umfangreichen Finanzierungs- und Förderprogrammen haben wir die Start-up-Bedingungen in Baden-Württemberg verbessert.

Wir wollen Start-ups eine Heimat geben, in der sie wachsen können. Dabei nehmen wir ihren gesamten Gründungs- und Wachstumsprozess in den Blick: Mit dem Programm „Junge Innovatoren“ und der Gründermotor-Initiative stärken wir gezielt das hochschulnahe Gründungsökosystem. Mit dem Programm Start-up BW Pre-Seed haben wir ein bundesweit einzigartiges Programm für Start-ups in der Phase der Frühfinanzierung. Darauf können wir zurecht stolz sein!"

Weiterentwicklung

„Wir machen bereits viel für den Start-up-Standort Baden-Württemberg. Wir dürfen aber nicht stehen bleiben. Wir müssen die Unterstützungsangebote kontinuierlich überprüfen und passgenau weiterentwickeln. Dafür setzen wir uns ein. Denn Studien kommen zu dem gleichen Ergebnis, dass

  • Start-ups sich einen besseren Zugang zu Investoren und Risikokapital wünschen,
  • das Finanzierungsvolumen von Risikokapital gerade in der Wachstumsphase ausbaufähig ist,
  • die internationale Sichtbarkeit des Start-up-Standortes Baden-Württembergs ausbaufähig ist,
  • die Gründungsbedingungen für Frauen deutlich verbessert werden müssen

Und das machen wir. Wir werden das Finanzierungsinstrument Start-up BW PreSeed und die Start-up BW Acceleratoren noch dieses Jahr evaluieren. Wir wollen die Finanzierungsangebote für Start-ups verbessern, vor allem in der Wachstumsphase. Denn nur wenn auch das finanzielle Fundament stimmt, kann sich das Potenzial einer Idee entfalten."