Schwarz: Es baut sich eine neue Welle auf

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„Die steigende Zahl der Omikron-Infektionen erfüllt mich mit größter Sorge“, erklärt Fraktionschef Andreas Schwarz zu Beginn der Plenarsitzung.

„Gerade erst ist es uns gelungen, die Infektionen mit der Delta-Variante in einen rückläufigen Trend zu bringen. Allerdings ist es nur ein Trend. Die Zahlen sind immer noch zu hoch. Unsere Kliniken, insbesondere die Intensivstationen sind durch die hohen Fallzahlen schon viel zulange unter erheblichem Stress.

Das bedeutet überlastete Ärztinnen und Ärzte, überlastetes Pflegepersonal, die Verlegung von Patientinnen und Patienten an andere Standorte und die Verschiebung von geplanten Operationen bei anderen Erkrankungen.

Das sind Krebspatienten, die auf die Entfernung ihres Tumors warten – ihre Operationen muss verschoben werden. Wir alle wissen, mit jedem Tag schrumpfen die Chancen auf Heilung. Das sind Menschen mit akuten, lebensgefährlichen Erkrankungen, die sterbenskrank, in weit entfernte Krankenhäuser verlegt werden.  So angespannt war die Lage in unseren Kliniken schon lange nicht mehr.

Gleichzeitig baut sich schon eine neue Welle auf, die wir wegen der sinkenden Delta-Fallzahlen noch gar nicht richtig sehen können.  Gegen die Omikron-Variante reichen die aktuellen Maßnahmen nicht aus. Omikron ist um ein vielfaches ansteckender als Delta. Während die Verdoppelungszeit bei Delta bei zwei bis drei Wochen liegt, sind es bei der Omikron-Variante ganze zwei Tage. Zwei Tage!

Da baut sich eine regelrechte Wand auf, und die steigenden Omikron-Infektionen werden schon bald die sinkenden Delta-Zahlen überholen. Und das müssen wir mit großer Entschlossenheit verhindern. Die Prognose des Expertenrats der Bundesregierung ist wirklich düster. Wenn das so kommt, dann werden wir gleich zwei Probleme haben.

Mögliche Auswirkungen einer Omikron-Welle

Erstens: Die explodierenden Fallzahlen werden einen enormen Anstieg an Krankenhauseinweisungen, an Intensivbettenbelegungen und an zu beatmenden Personen nach sich ziehen.  Am Ende dieser Kette stehen immer auch steigende Todeszahlen. Das gilt es unbedingt zu verhindern, denn hinter jedem dieser Fälle stehen persönliche, menschliche und familiäre Schicksale.

Und zweitens – und das ist eine neue Qualität, ein lautes Warnsignal, das wir so noch nicht hatten und über die Überlastung des Gesundheitssystems noch weit hinausgeht: Die neue Welle könnte erstmals zu so vielen gleichzeitigen Erkrankungen und Quarantänefällen führen, dass die kritische Infrastruktur, also die Rettungsdienste, die Feuerwehren, die Strom- und Wasserversorgung, nicht mehr in ausreichendem Maße gesichert wären. Das würde wirklich die Grundfesten unseres Gemeinwesens erschüttern. Wir müssen das unbedingt verhindern und alle gemeinsam dazu beitragen, dass es soweit nicht kommt.

Und ein Aspekt der mir sehr wichtig ist: Der Anteil von Menschen, die nach einer Infektion an Long Covid erkranken, ist hoch. Viele Menschen sind noch danach auf medizinische Hilfe oder Betreuung angewiesen.  Unabhängig von der Anzahl der Belegung in den Kliniken dürfen wir Long-Covid und seine massiven Auswirkungen nicht vergessen. Covid-19 hört nicht mit der Entlassung aus der Isolation oder aus dem Krankenhaus auf. Bei jeder Welle, bei jedem Ansteigen der Inzidenzen müssen wir diese vielen Betroffenen und die Auswirkung von Long Covid auf die einzelnen Menschen bedenken – und was eine große Zahl an derart beeinträchtigten Menschen für unsere gesamte Gesellschaft bedeutet. Denn das können wir uns nicht leisten.

Was können wir tun?

Zuallererst heißt das: Es müssen sich noch viel mehr Menschen impfen lassen.

Weil sich leider noch nicht genug Menschen haben impfen lassen, müssen wir nun eine allgemeine Impflicht angehen. Wir wollten das nicht und wir machen das nicht leichtfertig. Aber es ist leider jetzt sehr notwendig.

Und ja, vielleicht kann diese Pflicht die Debatte wieder befrieden, da sich Menschen ohne Gesichtsverlust impfen lassen können. Ich glaube, es gibt inzwischen viele, die ihre Meinung geändert haben, denen es aber schwerfällt, das offen einzugestehen. Die Wahrheit ist aber auch, dass das Impfen allein nicht mehr ausreichen wird. Dafür dauert es zu lang, dafür waren und sind viele Menschen zu zögerlich.

Die Rechnung ist ganz einfach: Das Virus lebt von der physischen Begegnung von Menschen. In Innenräumen umso virulenter. Wir müssen diese Kontakte reduzieren. Das Infektionsgeschehen ist diffus und findet überall statt. Debatten darüber, wo die meisten Infektionen stattfinden, passen daher nicht in die aktuelle Situation. Es ist daher gut, dass die Regierung in Berlin und die Ministerpräsidentenkonferenz gestern weitere Einschränkungen vorsehen, die das Infektionsgeschehen verlangsamen sollen. Meine Fraktion trägt diese Beschlüsse mit. Allerdings halten wir sie in Anbetracht der Lage für unzureichend.

Herr Ministerpräsident Kretschmann, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie es mit solch deutlichen Worten ausgesprochen haben: Die Maßnahmen aus dem Bund reichen nicht aus! Wir müssen mehr machen, und der Bund muss mehr ermöglichen.

Das Robert-Institut empfiehlt maximale Kontaktbeschränkungen, maximale infektionspräventive Maßnahmen und die Reduktion von Reisen auf das unbedingt Notwendige, dazu mehr Tempo beim Impfen. Die Aussagen des Expertengremiums sind deutlich und unmissverständlich: Es geht jetzt um alles. Da kann leider keine Maßnahme ausgeschlossen werden. Wir werden die Situation weiterhin genau beobachten und im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten konsequent handeln.“