Andreas Schwarz: Jetzt für morgen

Baden-Württemberg hat den grünsten Koalitionsvertrag überhaupt. Das bedeutet für unsere Fraktion: Ärmel hochkrempeln und Ziele umsetzen. Unser Fraktionschef Andreas Schwarz betont in seiner Rede zur Regierungserklärung durch Ministerpräsident Winfried Kretschmann, dass wir alles tun werden, um die Freiheit unserer Kinder und Enkelkinder und einen lebenswerten Planeten zu erhalten.

Die ungekürzte Rede finden Sie als PDF am Ende der Seite.

„Jetzt für morgen.“ So haben wir unseren Koalitionsvertrag überschrieben. Diese drei Worte bringen auf den Punkt, worum es uns geht. Denn wir stehen vor großen Herausforderungen: Es geht um Klimaschutz, um die Innovationsfähigkeit unseres Landes und um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

Klima- und Artenschutz

Weltweit geht es darum, in den nächsten fünf Jahren die entscheidenden Hebel umzulegen, um die Klimakrise in den Griff zu kriegen. Denn es geht um die Freiheit unserer Kinder und Enkelkinder, um den Erhalt eines lebenswerten Planeten. Dazu wollen wir in Baden-Württemberg unseren Beitrag leisten. Denn unser Handeln heute entscheidet über die Zukunft unserer Kinder.

Und es geht jetzt darum, mit Landwirtschaft und Naturschutz gemeinsam gegen das Artensterben vorzugehen. Dazu gehört die Reduzierung der Pflanzenschutzmittel genauso wie die Ausweitung des ökologischen Landbaus. Da werden wir als Land vorangehen!

Das setzen wir jetzt um – aber das ist nur ein Baustein des Gesellschaftsvertrags zwischen Landwirtschaft, Lebensmittelwirtschaft, dem Naturschutz und den Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Denn wir müssen darüber reden, wie wir Bauern und Bienen, bäuerliche Betriebe und die Artenvielfalt erhalten. Kulturlandschaften und Wildnis, Nutzung und Schutz – beides gehört zusammen. Und beides macht dieses schöne Land aus.

Starkes Baden-Württemberg

Baden-Württemberg ist nicht nur ein schönes Land, Baden-Württemberg ist ein starkes Land. Wir wollen, dass Baden-Württemberg ein starkes Land bleibt.

Ein starker Industriestandort. Das Innovationsland Nummer eins. Das Land der Tüftlerinnen und Denker. Wir sind überzeugt davon: Das gelingt nur, wenn wir unsere Wirtschaft dabei unterstützen, sich neu zu erfinden. Digitalisierung, Innovation und eine durchgehende Orientierung an nachhaltiger Entwicklung – das sind die Zutaten, die es jetzt braucht, damit Baden-Württemberg wirtschaftlich stark bleibt.

Es geht darum, das Auto der Zukunft in Baden-Württemberg zu entwickeln und zu produzieren. Und es geht darum, Mobilität nachhaltig und klimafreundlich zu gestalten. Das gelingt nur mit Innovation!

Mobilität und Klimaschutz gehören eng zusammen. Wir werden mit der Mobilitätsgarantie dafür sorgen, dass alle Orte im Land - in den Städten und im ländlichen Raum – gut an den öffentlichen Verkehr angebunden sind.

Wer sich in unserem Land umschaut, merkt schnell, dass es eine zweite prägende Branche gibt.

Das ist die Gesundheitswirtschaft. Deswegen setzen wir das Forum Gesundheitsstandort fort, den Strategiedialog für Gesundheitswirtschaft und Medizintechnik. Das sind Zukunftsbranchen. Hochschulen, Forschungsstandorte, unsere Leuchtturmprojekte wie das Cyber Valley: All das trägt gemeinsam dazu bei, dass Baden-Württemberg stark bleibt, ein industrielles Vorbild und ein Muster für andere!

Die Klimakrise bedroht uns alle. Die Digitalisierung und die Transformation der Wirtschaft betrifft uns alle. Beide Herausforderungen lösen wir nur gemeinsam. Indem wir Umwelt und Wirtschaft zusammendenken.

Und indem wir uns bewusstmachen, was Baden-Württembergs Stärke ausmacht. Das sind die Menschen, die hier leben.

Aber dieses Engagement, dieser Zusammenhalt, der unsere liberale Demokratie ausmacht – der steht unter Druck. Baden-Württemberg zusammenzuhalten – das ist die dritte große Aufgabe dieser Koalition.

Zusammenhalt stärken

Menschen engagieren sich da, wo sie gerne leben. Wo sie geschätzt werden, und wo sie sich einbringen können. Deswegen setzen wir auf die Ehrenamtskarte. Das ist eine Anerkennung für die vielen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren – in Sportvereinen genauso wie bei der Flüchtlingshilfe, bei der freiwilligen Feuerwehr genauso wie im Naturschutz. Und wir setzen auf Bürgerbeteiligung bei großen Gesetzesvorhaben. Keine Veränderung ohne Dialog!

Zusammenhalt und Engagement entsteht dort, wo Menschen in Freiheit und in Sicherheit leben. Deswegen stärken wir unsere Polizei. Deswegen kämpfen wir gegen Hass und Hetze. Das steht heute ganz oben auf unserer Agenda. Es muss leider dort stehen. Und um eines ganz deutlich zu sagen: Antisemitismus dulden wir nicht.

Corona-Krise

Dazu kommt eine Krise, die uns alle seit über einem Jahr wachhält. Eine Krise, die in manchen Punkten wie ein Brennglas oder wie ein Katalysator wirkt. Eine Krise, die uns ungeschönt vor Augen führt, wo unsere Gesellschaft Bruchstellen aufweist. Denn trotz inzwischen sinkenden Zahlen ist die Pandemie nicht weg, ist Corona noch nicht überwunden. Hier werden wir unseren Kurs fortsetzen: wir orientieren uns an den Fakten. Und wir werden alles dafür tun, das Leben und die Gesundheit der Menschen zu schützen! Das hat Priorität, das steht im Vordergrund.

Beim Blick auf die Folgen der Corona-Krise geht es insbesondere auch um Kinder, um Jugendliche und um die junge Generation. Denn wir haben jungen Menschen in den letzten Monaten sehr viel zugemutet. Deswegen setzen wir jetzt einen Schwerpunkt in diesem Bereich. Bei Kindergärten, bei Schulen, bei der Bildung und bei den Hochschulen. Und dabei nehmen wir junge Menschen ganzheitlich in den Blick. Es geht darum, Angebote dafür zu machen, nachzuholen, was an Lernstoff verpasst wurde. Verpasster Lernstoff ist das eine. Genauso wichtig sind die fehlenden sozialen Kontakte und die Probleme, die daraus erwachsen. Deswegen werden wir genau hinhören, welche weiteren Bedürfnisse bei jungen Menschen zu kurz gekommen sind.

„Jetzt für morgen“

Politik kann Rahmenbedingungen setzen. Sie muss Rahmenbedingungen setzen. Mit Leben gefüllt werden diese jedoch von engagierten Bürgerinnen und Bürger, von einer kreativen und schaffigen Wirtschaft, von den Gemeinden und Städten in unserem Land.

Baden-Württemberg neu zu erfinden, das ist ein großes Vorhaben. Und es sind große Herausforderungen, vor denen wir stehen. Wir begegnen diesen mit Demut und Zuversicht. Ich spreche von Demut, weil die Aufgaben groß und die Mittel der Politik bescheiden sind. Zugleich bin ich zuversichtlich. Ich bin zuversichtlich, weil wir auf der Stärke dieses Landes aufbauen.

Wir setzen auf das Zusammenspiel starker ländlicher Räume und starker Städte, auf das Zusammenspiel von Markt und Bürgergesellschaft.

Nachhaltige Finanzen

Wir haben in unseren Erneuerungsvertrag einen Haushaltsvorbehalt eingefügt. Zumindest jetzt, in der direkten Folge des Corona-Jahrs, müssen wir mit erheblich weniger Geld auskommen.

Wenn es uns gelingt, die Folgen der Corona-Krise in den Griff zu bekommen, dann können wir wieder zuversichtlich in die Zukunft schauen.

Im globalen Maßstab gilt wie hierzulande: nur gemeinsam schaffen wir es aus der Krise. Anderen Ländern zu helfen, die Pandemie zu überwinden, ist ein Gebot der Menschlichkeit. Auch die Klimakrise bewältigen wir nur gemeinsam.

Deswegen kann ich klar sagen: wir GRÜNE stehen für Zusammenarbeit, für gegenseitige Unterstützung – in Europa und weltweit.

Zu einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik gehört nicht nur der Blick auf die finanziellen Schulden, sondern auch der Blick auf das Vermögen des Landes und dessen Erhalt. Denn es hilft nichts, wenn Investitionen in den Erhalt des Landesvermögens – seien es Straßen oder Gebäude - auf die lange Bank geschoben werden und so zu einem späteren Zeitpunkt umso teurer kommen.

Zugleich haben wir Grüne uns mit der CDU verständigt, die Finanzpolitik des Landes am 1,5-Grad-Ziel ausrichten. Das heißt beispielsweise, das Anlagevermögen des Landes noch stärker an Klimakriterien auszurichten. Ebenso werden wir die Förderprogramme evaluieren. Dabei gilt explizit ein Klimavorbehalt: Dient ein Förderprogramm dem Klimaschutz, oder ist es kontraproduktiv?

Der Kern von Politik ist es, Rahmenbedingungen zu gestalten und Regeln zu setzen. Das heißt: dort, wo wir unsere Ziele mit ordnungspolitischen Mitteln erreichen können, haben diese Vorrang.

Das betrifft insbesondere den Klimaschutz. Denn dort sind wir dann gut, wenn wir den Rahmen so setzen, dass andere in Klimaschutz investieren. Die Wirtschaft genauso wie Privatleute. So können neue Geschäftsmodelle entstehen. Damit das passiert, sind klare Regeln notwendig. Dort, wo wir die Regeln setzen können, tun wir das.

Ja, ich bin überzeugt davon: wirtschaftlicher Erfolg wird in den nächsten Jahren nur möglich sein, wo Klimaschutz und Ökologie mitgedacht werden. Klimaschutz wird auf Technologie „made in Baden-Württemberg“ aufbauen.

100-Tage-Programm

In den ersten hundert Tagen werden wir drei Vorhaben angehen:

  • wir werden die ersten Maßnahmen aus unserem Klimaschutzsofortprogramm umsetzen,
  • wir werden die Wahlrechtsreform auf den Weg bringen,
  • und wir werden ein umfangreiches Post-Corona-Paket auflegen.

Dazu gehört insbesondere die Solarpflicht für Wohngebäude und Dachsanierungen. Wir werden Vorhaben etwa zur Agrophotovoltaik ausbauen, und wir werden die Windkraftplanung erheblich beschleunigen. Dazu setzen wir als ersten Schritt eine Taskforce Windkraft ein. Wir werden für Beschaffungen und Ausschreibungen ebenso wie bei der Sanierung landeseigener Gebäude einen CO2-Schattenpreis einführen.

Wahlrechtsreform

Baden-Württemberg ist bunter und vielfältiger, als es dieser Landtag abbildet. Daran hat unser Wahlrecht seinen Anteil. Deswegen werden wir in den ersten hundert Tagen die ersten Bausteine der Wahlrechtsreform aufsetzen. Das ist die Wahlaltersenkung, und es ist das Zweistimmenwahlrecht.

Jugendliche und junge Menschen wurde in den letzten Monaten viel zugemutet. Gleichzeitig entscheidet sich jetzt sehr grundlegend, wie die Zukunft dieser Generation aussieht. Deswegen werden wir das aktive Wahlalter im Landtagswahlrecht auf 16 Jahre senken.

Wir werden ein echtes Zweistimmenwahlrecht mit einer Landesliste einführen. Wir erwarten uns davon, dass dieser Landtag in Zukunft die Realität des Landes besser widerspiegeln wird.

Das betrifft den Anteil der Frauen, bei dem wir immer noch auf einem der hinteren Plätze liegen – und das in einem Land, das durch starke Frauen geprägt wurde.

Die Zwanziger Jahre sind das Jahrzehnt der Entscheidungen. Dieses Zeitfenster werden wir nutzen. Entschlossen und kraftvoll.

Gemeinsam mit den Menschen im Land. Damit Baden-Württemberg das schöne uns starke Land bleibt, das wir schätzen – vielfältig, weltoffen und vorne dabei.