„Kreislauf der Armut durchbrechen“

Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

In Deutschland lebt jedes fünfte Kind in einer Familie, die arm oder von Armut bedroht ist. Wie kann Kinderarmut in Baden-Württemberg gezielt bekämpft werden? Dazu haben Dorothea Wehinger als Sprecherin für Frauen, Kinder und Familie und Thomas Poreski als sozialpolitischer Sprecher und Vorsitzender des AK Soziales und Integration zum grünen Fachgespräch „Starke Familien – Kinder stärken: Strategien gegen Kinderarmut“ am 16. November 2017 in Stuttgart eingeladen. Mit dabei waren u. a. Staatssekretärin Bärbl Mielich aus dem Ministerium für Soziales und Integration, Prof. Christel Althaus als Vorsitzende des Landesfamilienrats, Bürgermeisterin Monika Müller aus Pforzheim, Udo Engelhardt vom Netzwerk Kinderchancen e. V. in Singen und die Familienbeauftragte der Stadt Tübingen, Elisabeth Stauber. Eindeutiger Befund aller Teilnehmenden: Den betroffenen Kindern und Jugendlichen fehlt es nicht nur an Geld und materiellen Gütern, sondern vor allem auch an Entwicklungs- Bildungs- und Teilhabemöglichkeiten.  „Wer in Armut aufwächst, hat weniger Chancen auf gute Bildung und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft. Die Einkommensarmut der Familie bedeutet für viele Kinder gleichzeitig auch geringere Chancen auf einen guten Bildungsabschluss, zugleich leidet die kognitive Entwicklung und die persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten. Kinder, die von Armut betroffen sind, haben seltener Zugang zu gesunder Ernährung und geeigneter Kleidung und können z. B. an Sport-, Kultur- und Freizeitangeboten, die für Gleichalterige selbstverständlich sind, nicht teilnehmen. Das größte Risiko: Wer einmal arm ist, besitzt langfristig  weniger Chancen auf sozialen Aufstieg“, betont Dorothea Wehinger.  Doch nicht nur die subjektive Lebenslage wird massiv beeinträchtigt: die individuelle Situation hat auch Auswirkungen auf den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Prävention und Vernetzung vor Ort  „Wir wollen Vernetzung ermöglichen und gemeinsam wirksame Strategien zur Prävention und nachhaltigen Bekämpfung von Kinderarmut in Baden-Württemberg erarbeiten. Es gilt, Betroffenen zuzuhören und sie mitzunehmen“, skizziert Dorothea Wehinger das Ziel des Fachgesprächs. „Es liegt in der Verantwortung von uns allen, den Kreislauf der Vererbung von Armut zu durchbrechen.“, erklärt die familienpolitische Sprecherin.   Neben strukturellen Forderungen wie die Einführung einer einkommensunabhängigen Kindergrundsicherung auf Bundesebene und den Anstrengungen des Landes z. B. im Bereich der Kinderbetreuung und Wohnraumförderung kann Kinderarmut und deren negative Begleiterscheinungen effektiv vor Ort bekämpft werden. Best-Practice-Beispiele aus verschiedenen Kommunen wurden vorgestellt und diskutiert: gesundes Frühstück an Schulen und Kitas, Patenschaften, ermäßigter Nahverkehr, offene Sportangebote oder Nachbarschaftshilfen aber auch spezielle AnsprechpartnerInnen für Kinderchancen in relevanten Institutionen. Die Konzepte und bereits bestehenden Projekte sind sehr unterschiedlich, aber alle legen ihren Fokus auf den Anschluss der Kinder und Jugendlichen an die Gesellschaft und Teilhabe am Gemeinwesen. Kinderarmut muss gemeinsam angegangen werden. „Wir müssen  bestehende Angebote vor Ort bündeln und in eine Präventionskette eingliedern. Städtische Fachbereiche, Wohlfahrtsverbände, Kitas und Schulen, Quartiermanagement, Gesundheitssystem, Vereine – sie alle müssen beim Thema Kinderarmut an einem Strang ziehen“, so Dorothea Wehinger. „Auf diese Weise kann es uns gemeinsam gelingen, Kinderarmut in Baden-Württemberg nachhaltig zu bekämpfen.“