Wie Bildungsaufbruch und Haushaltskonsolidierung zusammen passen – Fragen und Antworten zu Lehrer/innen-Stellen

Die ersten Gemeinschaftsschulen im Land zeigen den Bildungsaufbruch, der mit dem Regierungswechsel begonnen hat. Angesichts einer Deckungslücke von 2,5 Milliarden Euro – also einem Defizit, das jedes Jahr den Haushalt belastet – muss der Einsatz der Mittel auch in der Bildung möglichst effizient sein. Denn auch Schuldenabbau ist eine Investition in die Zukunft: Weniger Lasten für die kommenden Generationen. Neun Milliarden Euro im Jahr investiert Baden-Württemberg in die schulische Bildung der Kinder im Land. Fast die Hälfte der 226.000 Beamt(inn)en und Angestellten im Land arbeitet für die gute schulische Bildung des Nachwuchses. Die neun Milliarden Euro, die das Kultusministerium im Jahr ausgibt, entsprechen einem Viertel des Landeshaushaltes. Außerdem geht die Zahl der Schüler/innen immer mehr zurück – der demografische Wandel zeigt seine Auswirkungen. Deshalb wird Grün-Rot manche frei werdende Lehrer/innen-Stellen nicht mehr nachbesetzen können, um so die Zahl der Lehrer/innen den sinkenden Schüler/innen-Zahlen anzupassen. Damit kein Punkt offen bleibt, hat die Fraktion Grüne die Antworten auf die wichtigsten Fragen zusammengestellt: Hatte Grün-Rot nicht einen Bildungsaufbruch versprochen?
Um wie viele Lehrer/innen-Stellen geht es?
Warum will Grün-Rot diese Stellen streichen?
Wie werden die Lehrer/innen-Stellen gestrichen?
Müssen die Lehrer/innen andere Jobs machen?
Aber es fällt doch so schon Unterricht aus, das wird doch noch schlimmer, wenn es weniger Lehrer/innen gibt?
Was bedeutet das für den Klassenteiler?
Gerät damit die Versorgung auf dem Land in Gefahr?
Hatte Grün-Rot nicht einen Bildungsaufbruch versprochen?Wie Bildungsaufbruch und Haushaltskonsolidierung zusammen passen – Fragen und Antworten zu Lehrer/innen-Stellen Wir wollen die Bildung in Baden-Württemberg strukturell verändern, sie besser machen. Von einer regionalen Schulentwicklungsplanung versprechen wir uns eine bessere Effizienz, die uns größere Spielräume ermöglicht. Der Ausbau der Ganztagesschulen und der Aufbau von Gemeinschaftsschulen werden das Bildungsangebot nachhaltig verbessern. Gemeinschaftsschulen erhöhen nicht nur die Bildungschancen vieler Kinder, sondern ermöglichen auch wirtschaftliche und qualitativ hochwertige Schulstandorte – außerdem sichern sie die Versorgung auf dem Land. Wir bekommen mehr Unterricht und mehr Bildung für jeden Euro. Zu einer umfassenden Bildungspolitik gehören auch frühkindliche Bildung, Ausbildung und Weiterbildung bis hin zu Studium und Erwachsenenbildung, Hier hat Grün-Rot seit der Wahl 2011 große Schritte gemacht und mehr Bildungsgerechtigkeit geschaffen:

  • Pakt mit den Kommunen zum Ausbau der Kleinkindbetreuung
  • Einführung der Gemeinschaftsschule
  • Verbesserung der individuellen Förderung an Realschulen und Gymnasien (durch weitere Poolstunden)
  • Ausbau beruflicher Gymnasien
  • Beteiligung des Landes an den Kosten für die Schulsozialarbeit
  • Abschaffung der Studiengebühren
  • Stärkung der Weiterbildung und der Volkshochschule


Um wie viele Lehrer/innen-Stellen geht es?
Die Zahl der Schüler/innen an den Schulen in Baden-Württemberg wird im Vergleich zu 2003 voraussichtlich bis 2020 von 1,69 Millionen auf etwa 1,3 Millionen sinken – das ist ein Viertel weniger. Rein rechnerisch bedeuten 300.000 weniger Schüler/innen 11.427 freie Lehrer/innen-Stellen. In Fachkreisen nennt man das demografische Rendite, aus der man einen Ertrag errechnen kann. Die ersten Stellen sollen ab 2013 nicht mehr nachbesetzt werden. Geplant ist, von den frei werdenden Stellen 1000 nicht wiederzubesetzen. 2014 sollen es 1200 frei werdende Stellen sein, die dann wegfallen. Bis 2020 ist geplant, 11.600 Stellen der demografischen Rendite zu nutzen.

Die Grafik zeigt die Entwicklung an den allgemeinbildenden Schulen – berufliche Schulen sind hier nicht dabei.

Die Grafik zeigt die Entwicklung an den allgemeinbildenden
Schulen – berufliche Schulen sind hier nicht dabei.
Warum will Grün-Rot diese Stellen streichen? Der Stellenabbau ist nicht neu – die frühere, schwarz-gelbe Landesregierung hatte schon damit gerechnet, dass 8055 Stellen abgebaut werden und ihnen einen "kw"-Vermerk verpasst. "Kw" steht für "Künftig wegfallend" und bedeutet, dass der Abbau dieser Stellen bereits in den Haushaltsplanungen für die kommenden Jahre eingerechnet war, bevor die grün-rote Landesregierung angetreten ist. Zudem hatte die Vorgängerregierung in der vergangenen Legislaturperiode mehr als 3500 neue Stellen allein für die "Qualitätsoffensive Bildung" neu geschaffen, die von 2013 an nicht mehr finanziert sind. Es wurden also Stellen eingerichtet, obwohl nicht klar war, wie und aus welchen Mitteln sie nach 2012 finanziert werden können. Das war fahrlässig. Die Finanzierung dieser Stellen muss aus der "demografischen Rendite" gestemmt werden. Damit fallen von dieser "Rendite" bereits 3500 Deputate weg. Der Wegfall dieser Stellen hilft leider nicht gegen die strukturelle Deckungslücke im Haushalt, da wir diese Stellen nur dann im System belassen könnten, wenn wir hierfür neue Schulden aufnehmen würden. Baden-Württemberg muss laut Grundgesetz bis 2020 die Nettonullverschuldung erreichen – also nicht mehr ausgeben, als es an Einnahmen gibt. Die grün-rote Landesregierung steht hinter dieser Zusage an die kommenden Generationen. Wie werden die Lehrer/innen-Stellen gestrichen?

Grundsätzlich werden Stellen nicht von heute auf morgen einfach gestrichen, keine Lehrerin und kein Lehrer werden auf die Straße gesetzt. Abbau bedeutet, dass in Zukunft nicht alle Stellen neu besetzt werden können, die durch in Pension gehende Lehrerinnen und Lehrer frei werden. Dieser Stellenabbau wird wohl überlegt und schrittweise umgesetzt. 2013 und 2014 wären rein rechnerisch pro Jahr 1427 weniger Lehrerstellen möglich. Angefangen werden soll 2013 mit 1000 Lehrerstellen und 2014 werden es 1200 Stellen sein. Müssen die Lehrer/innen andere Jobs machen?

Lehrerinnen und Lehrer im Schuldienst werden ihren Beruf so lange machen können, wie es vorgesehen ist. Fertig ausgebildete und angehende Lehrerinnen und Lehrer, die noch nicht im öffentlichen Schuldienst sind, können sich wie bisher auch auf offene Stellen bewerben. Nach den Lehrerberichten der allgemeinbildendenden Schulen und der Schülerzahlprognose für die beruflichen Schulen werden zwar allein im kommenden Schuljahr 2012/13 insgesamt etwa 51.000 Schüler/innen weniger Schulen im Land besuchen, was rein rechnerisch 3.300 wegfallende Stellen bedeutet – dennoch war durch vorliegende Stellenauswertungen möglich, im Schuljahr 2012/13 –4.700 Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg einzustellen. Diese 4.700 Lehrer/innen haben 4.200 Stellen übernommen. Aktuelle Informationen zur Lehrereinstellung gibt es unter www.lehrer-online-bw.de.

Aber es fällt doch so schon Unterricht aus, das wird doch noch schlimmer, wenn es weniger Lehrer/innen gibt? Unterrichtsausfall steht in keinem direkten Zusammenhang mit den vorhandenen Stellen im Schulsystem. Baden-Württemberg hat mit 14:1 die beste Schüler-Lehrer-Relation in Deutschland. Dieser Wert bleibt beim prognostizierten Schülerrückgang und dem Abbau der 11.600 Stellen gleich gut. Dieser Wert allein ist allerdings noch kein Indikator für Qualität in der Bildung. Mehr Geld bzw. Stellen haben auch in der Vergangenheit weder zu besserer Bildung noch zu mehr Zufriedenheit bei den Lehrerinnen und Lehrern, den Schülerinnen und Schülern oder deren Eltern geführt. Im Mittelpunkt stehen für uns in jedem Fall die Schüler/innen. Unterrichtsausfall ist mehr eine Frage des Systems und der Organisation. Erhöhter Unterrichtsausfall kann auf einen erhöhten Krankenstand, auf eine höhere Zahl von Elternzeit oder auch auf eine zunehmende Zahl von Beschäftigungsverboten während Schwangerschaften zurückzuführen sein. Trifft mehreres zusammen, kann es zu Engpässen kommen. Die Fraktion Grüne macht sich derzeit dafür stark, dass es weniger Unterrichtsausfall gibt. Dafür gibt es einen so genannten Feuerwehrtopf – den Unterrichtssicherungsfonds. Wenn also an einer Schule viele Lehrer/innen ausfallen – ob wegen Krankheit oder Schwangerschaft – können hier Mittel abgerufen werden. Bis zu zehn Millionen Euro pro Jahr. Für Vertretungen ist ein mehrstufiges Verfahren vorgesehen:
  • Bei kurzzeitigen Erkrankungen müssen die Schulen aus eigenen Ressourcen eine Vertretung organisieren. Es kann dabei auch erforderlich sein, dass vorübergehend Stunden aus dem Ergänzungsbereich in den Pflichtbereich verschoben werden.
  • Für den Ausgleich von langfristigen Ausfällen steht zunächst die fest installierte Lehrerreserve zur Verfügung. Sofern eine Lehrkraft länger als drei Wochen ausfällt, oder das absehbar ist, können Lehrkräfte aus der Reserve an den betroffenen Schulen Vertretungsunterricht halten. Zur Verbesserung der Vertretungssituation hat die grün-rote Landesregierung diese Deputate im Haushaltsjahr 2012 deutlich um 200 Stellen erhöht. Die zusätzlichen Deputate stehen seit dem Schuljahr 2012/13 zur Verfügung. Auch 2013 und 2014 wird die Krankheitsreserve um jeweils 200 Deputate aufgestockt. Damit soll sichergestellt werden, dass auch in Baden-Württemberg der bundesweit durchschnittliche Anteil von etwa 2,5 Prozent von allen Stellen für Krankheitsvertretungen erreicht wird. Derzeit liegt der Anteil in Baden-Württemberg bei rund 1,5 Prozent.
  • Wenn die festinstallierte Lehrerreserve ausgeschöpft ist, wird auf die bereit gestellten verfügbaren Krankheitsvertretungsmittel zurückgegriffen, die bei Bedarf durch Schöpfmittel aufgestockt werden, um Vertretungslehrkräfte befristet zu beschäftigen. Diese Schöpfmittel erhöhen wir ab 2013 auf 65 Millionen Euro. Der Unterrichtssicherungsfonds deckt alle weiteren Fälle ab. Er ist pro Jahr mit 10 Millionen Euro im Doppelhaushalt 13/14 veranschlagt.

Was bedeutet das für den Klassenteiler? Entscheidend ist nicht der Klassenteiler, sondern wie viel Förderung jede Schülerin und jeder Schüler in Baden-Württemberg konkret bekommt. Der Klassenteiler ist eine rein mathematische Berechnungsgröße, nach der Deputate den Schulen zugewiesen werden. Davon profitieren vor allem kleine Schulen, die dann kleine Klassen anbieten können. An großen Schulen mit einer hohen Auslastung müssen jedoch größere Klassen eingerichtet werden. So werden Ressourcen sehr ungerecht verteilt. Nur ein geringer Anteil der Klassen im Land ist größer als 30 Schülerinnen und Schüler. 2011 lag er bei 4,3 %.Von einer Senkung des Klassenteilers zum Beispiel auf 29 würde also nur ein kleiner Teil der Schüler/innen profitieren. Der Klassenteiler hat für viele Schülerinnen und Schüler keine konkrete Auswirkung. Zudem hat die im Bundesvergleich beste Schüler-Lehrer-Relation in Baden Württemberg (14:1) keine höhere Zufriedenheit oder eine effizientere Auslastung und sozial gerechte Förderung im Schulsystem gebracht. Viel wichtiger ist eine intelligente Ressourcensteuerung. Dazu gehört die regionale Schulentwicklung, die durch Steuerung und Konsens vor Ort erreicht, dass wohnortnah alle Schulabschlüsse angeboten werden und die Qualität der Schulen gesichert wird. Die Fraktion Grüne setzt sich für eine Mittelvergabe ein, die sich nicht an starren Größen wie dem Klassenteiler, sondern an tatsächlichen Schülerzahlen und jeweiligen Förderbedarfen orientiert. Gerät damit die Versorgung auf dem Land in Gefahr? Damit die Versorgung auf dem Land langfristig gewährleistet werden kann, bringen wir derzeit die regionale Schulentwicklungsplanung auf den Weg. Die regionale Schulentwicklung ermöglicht zielgerichteten und effizienten Ressourceneinsatz des Landes und der Schulträger. Unter Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten wird überall in Baden-Württemberg ein breites und qualitativ hochwertiges Bildungsangebot gestaltet. Vor Ort können so Schulen, Schulträger und Expert(inn)en planen und entscheiden, wo langfristig welche Schule welches Angebot eröffnet und tragen dafür Sorge, dass alle Faktoren wie Erreichbarkeit, Qualität und Vielfalt und zielgenauer und gerechter Ressourceneinsatz berücksichtig werden. Viele Schulen in Baden-Württemberg müssen mit schwindenden Schülerzahlen und sich verändernden Ansprüchen umgehen. Schulträger wurden mit dieser Herausforderung bisher alleine gelassen. Die alte Regierung hatte es sträflich vernachlässigt, auf diesen Wandel zu reagieren und kein perspektivisches und nachhaltiges Konzept vorgelegt. Auf diese Weise ist ein auf verschiedenen Ebenen kostspieliges aber pädagogisch ineffektives Angebot entstanden. Die Gemeinschaftsschule ermöglicht mittelfristig den Übergang in ein Zwei-Säulen-System, das die Versorgung auf dem Land angesichts des demografischen Wandels sogar verbessern kann. Ein Gutachten der GEW (Bargel-Gutachten) hat ergeben, dass mit einem dreigliedrigen Schulsystem auf lange Sicht nur ein Viertel der Schulstandorte erhalten werden kann. In einem zweigliedrigen Schulsystem kann etwa jeder zweite Standort weiterbetrieben werden.