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Fachtagung Kinder- und Familienzentren: "Türöffner für gerechte Bildungs- und Teilhabechancen"

Kinder und Lehrer in Klassenzimmer

Kindertagesstätten sind längst nicht mehr nur Orte für Kinder. Sie öffnen sich vermehrt in den Sozialraum hinein und bieten Hilfestellungen für Familien, Menschen aus der Nachbarschaft und andere, die an Erziehungs- und Bildungsangeboten interessiert sind.

Die Anforderungen an Familien steigen. Viele Eltern fühlen sich im Spannungsfeld zwischen Elternschaft, Beruf und gesellschaftlichen Erwartungen hin- und hergerissen. Mit den Kinder- und Familienzentren geht Baden-Württemberg einen neuen Weg, um Familien in ihrem Alltag zu unterstützen.  Wie kann die Qualität der Begleitung und Beratung pädagogisch sinnvoll und familiengerecht gestaltet werden? Und welche Rahmenbedingungen sind dafür nötig? Darüber diskutiert die Fraktion bei einer Fachtagung mit Fachleuten und beteiligten Akteuren. Brigitte Lösch, Sprecherin für frühkindliche Bildung, berichtet im Interview, wie die weitere Entwicklung aussehen könnte.

Was steckt hinter der Idee der Kinder- und Familienzentren? Brigitte Lösch: Die Idee ist, dass wir Begegnungs- und Erfahrungsorte schaffen, die Familien niederschwellig in ihrem Alltag unterstützen.  Die frühkindliche Bildungsarbeit soll so auf das ganze System Familie ausgeweitet werden.  Wir wollen das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ stärken  und die  Kooperation mit bestehenden Netzwerken (etwa mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst, niedergelassenen Kinderärzten, Bibliotheken, Museen, Galerien oder Vereinen) fördern. Dabei kann auch an nachbarschaftliche Lebenszusammenhänge angeknüpft werden. Lokale Strukturen werden so gebündelt und vernetzt und den Familien als Ressource zur Verfügung gestellt. Denn viele Familien befinden sich zunehmend in einem Spannungsfeld zwischen Elternschaft, Beruf und gesellschaftlichen Erwartungen. Die Kinder- und Familienzentren  bieten ein konzentriertes lokales Bildungsangebot, das Eigenkräfte aktiviert, die Erziehungskompetenz der Eltern stärkt und außerdem durch flexible Betreuungsangebote einen Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie leistet. Wie fördert das Land die Arbeit der Kinder- und Familienzentren? Lösch:  Für die Weiterentwicklung der bislang 91 Kinder- und Familienzentren stehen im Haushalt 2017 insgesamt 1,2  Millionen Euro bereit. Kindertageseinrichtungen, die sich zu Kinder- und Familienzentren weiterentwickeln, erhalten 10.000 Euro. Darin ist auch eine Pauschale von jeweils 5.000 Euro enthalten, um die Einrichtungsleiterinnen und -leiter bei ihren anspruchsvollen Leitungsaufgaben zu entlasten und ihnen mehr Freiräume für die inhaltliche Weiterentwicklung der Zentren zu geben.  Mit den zusätzlichen Mittel sollen die am Landesförderprogramm beteiligten Einrichtungen in ihrem Qualitätsprozess unterstützt werden und sich als zentrale Anlaufstelle für Kinder und ihre Familien im lokalen Sozialraum etablieren. Welche inhaltlichen Schwerpunkte sollen die KiFaZ in den nächsten Jahren angehen? Lösch: Der "Deutsche Kinder- und Jugendmonitor 2017" zeigt, dass noch immer 3,7 Millionen junge Menschen in Deutschland schlechte Start-Chancen haben: Zehn Prozent der Kinder wachsen ohne erwerbstätige Eltern auf, 19 Prozent sind von Armut bedroht. Damit Kinder gut aufwachsen können, sind gerechte Bildungs- und Teilhabechanchen unverzichtbar. Diese sind auch in Baden-Württemberg immer noch stark von der sozialen Herkunft abhängig. Es gibt also dringend Handlungsbedarf. Gerade bei der Integration von Flüchtlingen können die Kinder- und Familienzentren deshalb eine zentrale Rolle spielen. Mit ihrem niederschwelligen Angebot können die Kinder- und Familienzentren hier als Türöffner funktionieren, zum Beispiel mithilfe von Sprachfördernetzen. Ein weiterer Schwerpunkt  muss auf der Zusammenarbeit mit den Eltern liegen. Das Wissen der Eltern ist jederzeit willkommen -  gemeinsam mit den Eltern wollen wir eine gelebte Erziehungspartnerschaft aufbauen. Es geht darum, dass wir frühzeitig der Entstehung von sozialen Barrieren entgegenwirken. Davon können vor allem Kinder aus einkommensschwachen Familien oder Kinder mit Migrationshintergrund profitieren.