Finanzen und Haushalt

Mehr Wohnraum in lebendigen Kommunen

Andrea Lindlohr erklärt, wie das Land seine Möglichkeiten nutzen will, um einen Markt für modernen und sozialen Wohnungsbau zu befördern – und wie auch in Zeiten großen Handlungsdrucks Quartiere entstehen, die sozial durchmischt und gut angebunden sind.

Neubauten der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG)

©Marijan Murat/dpa

Welche Kompetenzen hat die Landespolitik beim Thema Wohnen und wie nutzt sie diese? Wichtigste Aufgabe der Landespolitik beim Wohnen ist die soziale Wohnungspolitik. Dafür arbeiten wir mit den Kommunen und den Wohnungsunternehmen gut zusammen. Der Bund nimmt vor allem über das Mietrecht Einfluss auf den Markt. Er hat eine Mietpreisbremse ermöglicht, die das Land für Städte und Gemeinden mit Wohnungsnot in Kraft gesetzt hat. Die Kommunen sind der wesentliche Akteure bei der Frage, welche Flächen zu welchen Bedingungen für den Wohnungsbau zur Verfügung stehen. Viele Kommunen kaufen und verkaufen Grundstücke und legen dabei zum Beispiel fest, dass dort ein Viertel Sozialwohnungen gebaut werden müssen. Und über ihre Wohnungsbaugesellschaften sind sie selber im Markt unterwegs. Manche Kommunen nutzen beide Instrumente jedoch nicht. Die Stellschrauben des Landes sind im Wesentlichen die Fördermittel für den Wohnungsbau, das Planungsrecht und die Vernetzung der Akteure. Wir wollen ein Landesbündnis für bezahlbares und klimafreundliches Wohnen zwischen Kommunen, Wohnungs- und Bauwirtschaft und Mietern schaffen. Engpässe und steigende Kosten belasten die BürgerInnen immer mehr. Vor allem in Ballungsgebieten ist die Not groß. Aber auch in anderen Bereichen fehlen Wohnungen für Menschen mit wenig Einkommen oder solchen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind.
Die Fördermittel für Wohnungsbau haben wir in den vergangenen fünf Jahren deutlich nach oben gefahren, das Land betreibt wieder eine aktive Politik. Über die Programme des Landes und der landeseigenen L-Bank flossen 2015 660 Millionen Euro in den Bau und die Modernisierung von Mietwohnungen. Wegen des steigenden Bedarfs an bezahlbarem Wohnraum stehen für das Jahr 2016 im Landesprogramm 115 Millionen Euro zur Verfügung, das Gros für Sozialwohnungen. Hinzu kommt ein spezielles Programm für Flüchtlingswohnen von 30 Millionen Euro. Jetzt kommt es darauf an, dass alle Akteure im Schulterschluss ihre Maßnahmen so ausrichten, dass unsere Gesellschaft lebendige und sozial durchmischte Städte und Gemeinden erhält. Was muss passieren, damit Wohnungsbaupolitik zum Erfolg wird? Viele Kommunen, die lange nur sehr wenig sozial gesteuert haben auf dem Wohnungsmarkt und auch von unserer Vorgängerregierung wenig Unterstützung bekamen, sind nun dabei. Wir brauchen aber noch mehr, gerade in den Umlandregionen unserer Großstädte. Darum machen wir unsere Förderung günstigen Wohnraums noch attraktiver. Die Niedrigzinsphase macht Programme mit Zinsverbilligung unattraktiv. Ein stärkerer Fokus auf Zuschüsse mobilisiert privates Kapital für Bau und Renovierung. Zuschüsse können an unterschiedliche Kriterien wie soziale Durchmischung, altersgerechtes Wohnen, energetische Standards gekoppelt werden. Hürden für junge Genossenschaften und gemeinnützige Träger wollen wir abbauen, z.B. durch Landesbürgschaften, die ihnen die Kreditaufnahme erleichtern. Neue Akteure aus der Bürgergesellschaft sollen eine stärkere Rolle spielen. Für die Familien und Personen, die nur schwer eine Wohnung finden, aber keinen Wohnberechtigungsschein bekommen, hat sich die Landesregierung erfolgreich auf Bundesebene für eine bessere steuerliche Abschreibung von günstigen neuen Mietwohnungen eingesetzt. Der Gesetzentwurf des Bundes wird derzeit im Bundesrat beraten. Derzeit sind in Baden-Württemberg  rund 19.000 Hektar für den Wohnungsbau nutzbar. Sie sind in Flächennutzungsplänen ausgewiesen. D.h. die Kommunen können ohne weitere Genehmigung Bebauungspläne für bezahlbaren Wohnraum erstellen. Dass es auch bei diesen Flächen vor Ort zu Konflikten kommen kann, ist uns klar. Das Land selbst über viele Liegenschaften - besonders in klassischen Verwaltungssitzen. Wir haben ermöglicht, dass diese Grundstücke an die Kommunen für den sozialen Wohnungsbau vergünstigt abgegeben werden können. Dieses Instrument soll noch stärker greifen. Es ist ein Beitrag, Flächen zu sparen. Viele Musterbeispiele zeigen, wie Innenentwicklung durch die Aktivierung von Flächen im Bestand gut funktioniert. Das Land befördert dies durch das Programm „Flächen gewinnen“. Das wollen wir ausweiten. Auch wenn nun neue Flächen im Land bebaut werden, ist es entscheidend, mit viel Kraft die Innenentwicklung voranzutreibende. Denn die vermeintlich einfache Lösung auf der grüne Wiese kann zu einer Baupolitik wie in den der 70er Jahren führen, deren Folgen wir gerade durch Konzepte der sozialen Stadt wieder reparieren müssen.  Welche Rolle spielen die im Land ankommenden Flüchtlinge in diesen Überlegungen? Als reiche Region mit steigenden Wohnungspreisen brauchen wir ohnehin eine soziale Wohnungspolitik. Die Integration der Flüchtlinge, die bleiben können, ergänzt diese Aufgabe, aber eigentlich geht es um dasselbe: Dass Menschen allen Alters, aller sozialen Schichten und jeder Herkunft nicht in getrennten Stadtteilen, sondern zusammen leben und wohnen. Auch deshalb setzen wir auf eine kraftvolle Innenentwicklung. Das vermeidet Ghettoisierung. Kurzfristig werden wir das Programm für Flüchtlingswohnen beibehalten. Mit 25 Prozent Baukostenzuschuss für die Anschlussunterbringung haben wir den Gemeinden ein einfaches und direktes Instrument an die Hand gegeben. Voraussetzung ist unter anderem eine Zweckbindung über zehn Jahre.  Das bedeutet, dass der Wohnraum für diese Zeitspanne für Flüchtlinge, Wohnungslose oder andere soziale Unterbringung zur Verfügung steht. Mittelfristig wollen wir  das Programm für Flüchtlinge und die Landeswohnraumförderung verzahnen. Momentan richtet sich das Programm für Flüchtlingswohnen ausschließlich an die Kommunen, die Landeswohnraumförderung an Wohnbauträger. Unser Ziel ist ein Baukastensystem, bei dem Zuschüsse und Zinsprogramm als Instrumente, allgemeiner sozialer Mietwohnraum, Anschlussunterbringung und genossenschaftliches Wohnen als Zwecke und private und öffentliche Trägerschaft miteinander kombiniert werden können. Davon profitieren alle Bürger*innen.