Rubriken | Agrarpolitik und Ernährung | Wirtschaft und Arbeit | Bauen und Wohnen | Digitales, Datenschutz und Medien | Gesundheit und Pflege | Sicherheit und Justiz | Kunst und Kultur | Artikel-Typ

Nachhaltige Regionalentwicklung auf der Schwäbischen Alb

Der Arbeitskreis Ländlicher Raum und Verbraucherschutz der Fraktion Grüne im Landtag von Baden-Württemberg war am 29.11.2013 auf der Schwäbischen Alb unterwegs. Die Mitglieder des Arbeitskreises, die Landtagsabgeordneten Dr. Markus Rösler (Arbeitskreisvorsitzender), Sandra Boser, Martin Hahn, Dr. Bernd Murschel und Reinhold Pix, informierten sich dort u.a. über die Zukunft der Schweinhaltung, vor allem aber über die Erfolge des Biosphärengebiets Schwäbische Alb. Verbraucherpolitisches Frühstück Zu einem "verbraucherpolitischen Frühstück" traf sich der Arbeitskreis mit dem Tübinger Regierungspräsidenten Hermann Strampfer, dem Reutlinger Landrat Thomas Reumann, dem Ehestetter Ortsvorsteher Manfred Kloker und den Gastronomen der „Rose“ in Hayingen-Ehestetten, Daniel und Inge Tress. Frau Cornelia Tausch, Vorsitzende der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg informierte über die Verbraucherpolitik im Land. Baden-Württembergs Verbraucherzentrale ist im bundesweiten Vergleich sehr gut aufgestellt. Sie ist beispielsweise beim Thema Wirtschaft und Finanzmarkt bundesweit führend. Sandra Boser, verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion, griff ein zentrales Thema der Diskussion auf: „Die Diskussion um eine noch bessere Verfügbarkeit von Beratungsleistung in allen Landesteilen wird uns in den kommenden Jahren sicherlich begleiten. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Angeboten für die Menschen im Ländlichen Raum. Dabei brauchen wir flexible Lösungen, die einerseits auf die Bedürfnisse vor Ort eingehen und auf der anderen Seite knappen Kassen und demographischem Wandel Rechnung tragen. Eine interessante Überlegung war für mich der „Beratungsbus“, der in der Diskussion aufkam.“ Zukunft der Schweinehaltung Danach besuchte der Arbeitskreis die Höfe Mariaberg in Gammertingen und den Sonnenhof in Bad Urach - Wittlingen, um sich über Schweinehaltung und Marktbedingungen in Schweinezucht und –Mast zu informieren. In Mariaberg wird unter anderem das „Alblinsenschwein“ in Weidehaltung gemästet. Es ist ein Projekt der Biosphärengastronomen auf der Schwäbischen Alb mit Bio-Landwirten und der Biosphären-Geschäftsstelle. Die Gastronomen haben das Projekt initiiert, weil sie regionales Schweinefleisch aus artgerechter Tierhaltung anbieten wollen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollen sich vor Ort von der artgerechten Haltung überzeugen können. Nicht nur in der Haltung, sondern auch in der Fütterung haben die Beteiligten einen besonderen Weg gewählt, der dem Schwein seinen Namen gab: Die Tiere werden unter anderem mit Alblinsen gefüttert. Sie stehen aber damit nicht in Nahrungskonkurrenz zum Menschen, was den Projektteilnehmenden sehr wichtig war, sondern bekommen den sogenannten Ausputz verfüttert. Er entsteht bei der Reinigung der Linsen. Linsen, die zu klein sind, zerbrochen sind, oder Verfärbungen haben, werden vor dem Abfüllen aussortiert. Der Ausputz wird üblicherweise kompostiert. Als Schweinefutter sind die Linsenreste gut geeignet, das passt zur ursprünglichen Rolle des Schweins als Resteverzehrer. „Hut ab, großen Respekt, es braucht viel Zeit, Mut und auch Geld, regionale Wertschöpfungsketten auf die Beine zu stellen. Da fängt man klein an. Besonders beeindruckt mich die klare Ausrichtung auf besonders artgerechte Tierhaltung und faire Bedingungen zwischen den Geschäftspartnern“, so Martin Hahn, agrarpolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion. „Das Projekt ist nicht beliebig übertragbar, die Märkte für regionale Produkte sind nicht beliebig groß, aber die Anbindung an die Gastronomie und Abnahmegarantien zu festen Preisen sind für diejenigen, die eine Nische suchen der richtige Weg.“ Die Schwierigkeiten des Projekts kamen auch zur Sprache: Das ganze Schwein muss verwertet werden, mitsamt den Innereien, und die Freilandhaltung wird durch hohe Auflagen unrentabel. Dennoch war der Münsinger Gastronom Hermann Autenrieth zuversichtlich. Neue Gerichte sollen erfunden werden, die das gesamte Schwein in den Blick nehmen. Auf dem Sonnenhof in Wittlingen wurde ein Betrieb vorgestellt, der Direktvermarktung zwar in sein Konzept integriert, aber aufgrund der Größe auf Kooperationen mit national und international agierenden Abnehmern angewiesen ist. Familie Mayer hat im Jahr 2000 einen neuen artgerechten Schweinestall (konventionell) mit 1570 Mastplätzen gebaut. Sie setzten aus Überzeugung auf artgerechte Haltung und gentechnikfreie (GVO-freie) Fütterung. Leider lässt sich der Mehrpreis für die GVO-freie Fütterung am Markt nicht mehr umsetzen. „Politik kann Märkte nur zu einem kleinen Teil beeinflussen. Wir wünschen uns, dass die Fleischindustrie den Mehrwert der GVO-freien Fütterung erkennt und dem Landwirt die Mehrkosten ersetzt. Dafür muss auch der Verbraucher bereit sein, mehr zu zahlen. Aufgabe der Politik ist es, eine EU-weite Kennzeichnung für tierische Lebensmittel, in denen GVO-verändertes Tierfutter steckt, umzusetzen. Nur über eine transparente Kennzeichnung wird deutlich, in welchen Lebensmitteln GVO-Futter versteckt ist. Das ist eine Voraussetzung, um einen Mehrpreis für GVO-freie Ware zu erzielen. Grün-Rot hat im Land bei diesem Thema schon viel umgesetzt: Baden-Württemberg ist Mitglied im europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen geworden, die Futtermittel bei Landeseinrichtungen sind GVO-frei, auch Pachtverträge enthalten entsprechende Klauseln," so Dr. Markus Rösler, Sprecher für Agrogentechnik bei der Grünen Landtagsfraktion. Reinhold Pix, Sprecher für Tierschutz ergänzt: „Das Bekenntnis der Verbraucherinnen und Verbraucher zur artgerechten Haltung nützt nur dann, wenn es sich auch beim Einkauf niederschlägt. Wir wollen künftig artgerechte Haltungsverfahren in besonderem Maße unterstützen, das ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Aber der Verbraucher muss mitziehen!“ Biosphärengebiet: Modellregion für nachhaltige Regionalentwicklung Gegen Nachmittag trafen sich die Abgeordneten mit Achim Nagel und Adelheid Schnitzler vom Biosphärengebiet Schwäbische Alb und Akteuren aus der Region. Vorgestellt wurden die zahlreichen erfolgreichen Aktivitäten (z.B. auch das Projekt Alblinsenschwein), die aus dem Regionalentwicklungsprozess dort bislang entstanden sind. Ideengeber für das Biosphärengebiet war übrigens in den 1990er Jahren Markus Rösler, der im Rahmen seiner Dissertation die ersten planerischen, ökonomischen und politischen Grundlagen für das Projekt legte. Wichtige Vorgänger des Biosphärengebiets in der Region waren dann das Projekt des Landes für Erhalt und Entwicklung von Natur und Umwelt (PLENUM) und das von Renate Künast aufgelegte Bundesförderprogramm Regionen Aktiv. Auf die vielen Netzwerke, die dort geknüpft wurden und Aktivitäten kann das Biosphärengebiet aufbauen und leistet nach Ansicht der Grünen vorbildliche Arbeit. Rösler hatte sich daher 2011 als naturschutzpolitischer Sprecher erfolgreich für eine personelle Stärkung in dem 2009 als "UNESCO-Biosphärenreservat" ausgezeichneten Gebietes eingesetzt. Bernd Murschel, Sprecher für den Ländlichen Raum bei der Grünen Landtagsfraktion stellte im Anschluss an das Gespräch fest: „Ich bin beeindruckt, mit welcher Professionalität und mit welchem Engagement die Bevölkerung im Biosphärengebiet ihre Entwicklung seit einigen Jahren in die Hand nimmt und die Schwäbische Alb damit prägt. Das ist vorbildlich. Gestützt und befördert werden die Aktivitäten von einem aktiven Regionalmanagement im Biosphärengebiet, das die Prozesse vorbildlich initiiert und begleitet und die Akteure vernetzt. Das bestärkt mich in unserer Überzeugung, dass das Land die Aufgabe hat, diese Regionalentwicklungsprozesse mit Fördermitteln zu unterstützen. Ein Schritt, den die Landesregierung geht, ist die Weiterentwicklung der Aktivitäten beim EU-Regionalentwicklungsprogramm Leader. Es wird dort mit der neuen EU-Förderperiode ab 2015 eine Neuausrichtung geben, die bürgerinnengetragene Entwicklung deutlich stärkt.“