Wie sieht das Petitionsrecht von Morgen aus?

Bürgernähe und Transparenz sind Kernanliegen der grün-roten Koalitionsregierung in Baden-Württemberg. Sie müssen auch für das Petitionsrecht gelten, wenn sich die Bürgerinnen und Bürgern mit Bitten und Beschwerden an den Landtag wenden. Für die Grünen steht fest: hier muss nachgebessert werden. Was kann man tun, um das parlamentarische Kontrollrecht des Landtags effizienter und transparenter  im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu nutzen? Können Bürgerbeauftragte, die in vier Bundesländern bereits die Erstbearbeitung von Petitionen vornehmen und den gesetzlichen Auftrag haben, die Stellung des Bürgers zu stärken und einvernehmliche Lösungen zu suchen, ein Modell für Baden-Württemberg sein? Diese Fragen wurden in der Anhörung sowohl von theoretischer, als auch von praktischer Seite beleuchtet. Frau Prof. Guckelberger von der Universität des Saarlandes übernahm es, aus wissenschaftlicher Sicht die beiden unterschiedlichen Systeme der Petitionsbearbeitung zu erläutern, d.h. ausschließliche Bearbeitung der Eingaben durch Petitionsausschüsse einerseits – und duale Zuständigkeit von Bürgerbeauftragten und des Petitionsausschusses andererseits. Sie ging ausführlich auf die Bedeutung der Personalisierung und Dialogorientierung ein, die mit der Einführung des Amtes des Bürgerbeauftragten einhergeht. Der Mehrwert, der bei der Petitionsbearbeitung durch Bürgerbeauftragte erzielt werde, sei vor allem mehr Bürgernähe und eine höhere Akzeptanz staatlicher Entscheidungen.    Einen Einblick in die Praxis der Petitionsbearbeitung durch Bürgerbeauftragte gaben Herr Burgard, der Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz, wo schon im Jahr 1974 das Amt des Bürgerbeauftragten von Helmut Kohl auf eine Initiative der SPD eingeführt wurde; Frau Liebaug, die Bürgerbeauftragte des Freistaates Thüringen, referierte über die thüringische Zuständigkeitsabgrenzung ihres Amtes zum Petitionsausschuss. Frau Borchardt die stellvertretende Vorsitzende des Petitionsausschusses des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern war eingeladen, um das dortige Modell der Zusammenarbeit des Petitionsausschusses und des Bürgerbeauftragten zu erläutern. Alle Referenten stellten übereinstimmend fest, dass nirgendwo der oder die Bürgerbeauftragte als Konkurrenz zum Petitionsausschuss gesehen wird, sondern als wichtige Ergänzung. Insbesondere durch die Abhaltung vieler Sprechstunden, die landesweit durchgeführt werden und so auch im ländlichen Raum einen direkten Kontakt mit den Bürgern ermöglichen, sei es möglich, in vielen Fällen gute Lösungen mit hoher Akzeptanz zu finden. Die Einführung des Amtes des Bürgerbeauftragten und dessen gesetzlicher Auftrag, bei der Petitionsbearbeitung die Stellung des Bürgers zu stärken, hat sich – so übereinstimmend alle Referenten - bewährt. Eine Rückkehr zum System der ausschließlichen Zuständigkeit des Petitionsausschusses kann man sich nirgendwo vorstellen.  Frau Erler, die baden-württembergische Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, wagte dann aus Ihrer Sicht ein erstes, positives politisches Statement, auch hierzulande Verbesserungen zu erreichen durch einen kompetenten Ansprechpartner, der dem bislang anonymen Petitionsverfahren „ein Gesicht gibt“.   In der anschließenden Diskussion zeigte sich, dass Bürgerinitiativen oft mit der bisherigen Verfahrensweise unzufrieden sind und sich mehr Transparenz und Mitwirkungsmöglichkeiten im Petitionsverfahren wünschen. Bislang erhalten die Petenten eine Eingangsmitteilung und ein Aktenzeichen, verbunden mit der Bitte sich zu gedulden, bis der Landtag über ihre Eingabe entschieden hat.  Der Petitionsausschuss holt eine Stellungnahme der Regierung zu dem Fall ein und entscheidet auf der Basis der dort vorgenommen Bewertung der Sach- und Rechtslage über das Petitionsanliegen. In der Praxis wird nur in ca. 1 % der Fälle ein Ortstermin des Petitionsausschusses durchgeführt, bei dem ein direkter Kontakt zu dem Petenten hergestellt wird. Ob und inwieweit die Abgeordneten, die als Berichterstatter für die weitere Behandlung der Petition zuständig sind, Kontakt mit den Petenten aufnehmen, ist ihnen selbst überlassen und wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Es bestand Einigkeit, dass politischer Handlungsbedarf besteht. Die Anhörung war ein Einstieg in die parlamentarische Debatte, die mit allen Fraktionen weitergeführt werden muss, um auch hier zu einem bürgerfreundlichen, transparenten Verfahren zu kommen.