Migrantinnen und Migranten sind mehr als Zuschauer

Die grüne Landtagsfraktion sucht Wege, um Migrantinnen und Migranten besser am politischen Leben in Baden-Württemberg zu beteiligen. In einer Anhörung im Landtag mit rund 70 Gästen sammelte der integrationspolitische Sprecher der Fraktion Grüne im Landtag von Baden-Württemberg, Daniel Lede Abal, Ideen hierfür. Gehört wurden Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Dass es nötig sei Migranten mehr politische Beteiligungsrechte einzuräumen war Konsens. Denn die aktive Einbindung von Migrantinnen und Migranten in das politische System sei ein elementarer Bestandteil gelungener Integration. In Baden-Württemberg leben rund 2,6 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Nur ein Teil davon ist auf kommunaler Ebene politisch repräsentiert. Nicht-EU-Bürgerinnen und –bürger sind derzeit nicht berechtigt an Kommunalwahlen teilzunehmen. Daher gibt es seit den 1990er-Jahren die so genannten Ausländerbeiräte auf kommunaler Ebene. Doch ist ein beratendes Gremium genug, um eine vollwertige Repräsentation von Interessen von ansässigen Nicht-EU-Bürgerinnen und –bürgern zu gewährleisten? Sollte nicht vielmehr das kommunale Wahlrecht auf Migrantinnen und Migranten ohne EU-Staatsbürgerschaft geöffnet werden? Und wie kann darüber hinaus ganz allgemein die politische Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund verbessert werden? Den aktuellen Erkenntnisstand aus der Sozialwissenschaft stellten Prof. Dr. Thomas Hinz und Thomas Wöhler von der Universität Konstanz vor. Dabei wurde deutlich, dass vor allem die Ressourcenausstattung von Personen über deren politische Partizipation entscheidet und sich Einwanderergenerationen weniger beteiligen als die zweite Generation. Besonders viel beteiligen sich nach den Studien Migrantinnen und Migranten, die in sehr gemischten Stadtteilen lebten. Frau Dr. Devrimsel Deniz Nergiz von der Universität Bielefeld stellte wissenschaftliche Studien vor, die aus Interviews mit Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern mit Migrationshintergrund entstanden. Dabei wurde deutlich, dass zwar die wenigstens Mandatsträgerinnen und Mandatsträger sich vor allem über ihre Herkunft identifizieren wollen, aber durchaus eine starke Stimme in die migrantischen Communities oder wichtige Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für diese sein können und für folgende Generationen auch gerne eine Vorbildrolle annehmen. Im dritten und letzten Impulsreferat stellte der per Video zugeschaltet Prof. em. Dr. Dr. h.c. Preuß von der Hertie School of Governance in Berlin den rechtlichen Rahmen für eine Einführung des Kommunalwahlrechts für Nicht-EU-Bürgerinnen und -bürger vor. Er hält die Einführung auf Länderebene auch ohne Grundgesetzänderung für verfassungsgemäß und auf Grund des Demokratieprinzips sogar für geboten. Die Divergenz zwischen Herrschenden und Beherrschten ließe sich nicht durch Einbürgerungen schließen. In einer anschließenden Podiumsdiskussion debattierten Daniel Lede Abal, die Wissenschaftlerin Dr. Nergiz, der Pforzheimer Bundestagsabgeordnete Memet Kilic (GRÜNE), der Heilbronner Bundestagsabgeordnete Josip Juratovic (SPD) und die hessische Landtagsabgeordnete  Mürvet Öztürk (Grüne) Möglichkeiten zur besseren Repräsentation von migrantischen Interessen auf kommunaler Ebene. Konsens war dabei, dass das derzeitige System von beratenden und freiwillig eingerichteten kommunalen Ausländerbeiräten ohne Einbindung in die Gemeindeordnung keine ausreichende Teilhabe ermöglicht.