Umwelt und Naturschutz

Große Anfrage: Rückgang der Bienenpopulation und die Situation der Imkerinnen und Imker in Baden-Württemberg

Wir fragen die Landesregierung:

  • I. Bienenhaltung und Imkerei in Baden-Württemberg und Deutschland

 

  1. Wie hat sich die Zahl der haupt- und nebenberuflichen Imkerinnen und Imker in Baden-Württemberg und die durch diese insgesamt bzw. im Durchschnitt betreuten Bienenvölker in den vergangenen Jahren entwickelt?
  2. Wie hat sich der Honigmarkt, getrennt nach Honigsorten, in Baden-Württemberg und nach ihrer Kenntnis in Deutschland in den vergangenen Jahren entwickelt?
  3. Wie viel des in Baden-Württemberg und – sofern bekannt – in Deutschland konsumierten Honigs wird aus welchen Hauptherkunftsländern importiert?
  4. Wie ist das derzeitige Weiterbildungs- und Beratungsangebot für die Imkerschaft in den badischen und württembergischen Landesteilen organisiert und gibt es konkrete Vorschläge, wie das gegenwärtige System zukunftssicher weiterentwickelt werden kann?

 

  • II. Bedeutung von Wild- und Honigbienen in Baden-Württemberg und Deutschland

 

  1. Welche Bedeutung haben Honigbienen für das Ökosystem und den Erhalt der biologischen Vielfalt und welche Rolle spielen sie als Bioindikatoren für die Erforschung der Folgen von Natur- und Umweltschäden sowie der Klimaerwärmung?
  2. Wie unterscheiden sich die Bestäubungsleistung und Bestäubungsfähigkeiten der Wild- und Honigbienen in Bezug auf die verschiedenen Wild-, Kultur- und Nutzpflanzen?
  3. Ist der Landesregierung bekannt, wie hoch die Bestäubungsleistung von Wild- und Honigbienen in Baden-Württemberg, Deutschland und der Europäischen Union gemessen in Euro ist?
  4. Welchen Anteil haben die von der Imkerschaft betreuten Honigbienen an der Gesamtbestäubung der Kultur- und Nutzpflanzen in Baden-Württemberg, nach ihrer Kenntnis in Deutschland und der Europäischen Union?

 

  • III. Bienenschäden

 

  1. Welche Gründe sind nach Meinung der Landesregierung die zentralen Ursachen für den allgemeinen Rückgang der Honigbienenpopulationen sowie die deutliche Abnahme der Honigbienen im Frühjahr 2017 in Baden-Württemberg?
  2. Wie viele Fälle der amerikanischen Faulbrut, des Kleinen Beutenkäfers und der asiatischen Hornisse sind ihr in Baden-Württemberg und Deutschland bereits bekannt?
  3. Liegen verlässliche Zahlen über die Zunahme des Jakobskreuzkrauts vor und welche Erkenntnisse gibt es über die Auswirkungen auf die Gesundheit von Wildbienen und der Honigbienen sowie auf die Qualität des Honigs?
  4. Wie haben sich die Fallzahlen der Varroa-Milbe, insbesondere seit der Einführung des Varrose-Bekämpfungskonzepts Baden-Württemberg im Jahr 2013, entwickelt?
  5. Welche Hoffnungen steckt die Landesregierung in die jüngsten Berichte, wonach an der Landesanstalt für Bienenkunde Hohenheim mit Lithiumchlorid eventuell ein neues, effektives und wenig arbeitsintensives Varroa-Behandlungsmittel entdeckt wurde?
  6. Welchen Beitrag könnte die gesetzliche Forcierung allgemeiner Haltungsbedingungen für Honigbienenvölker im Tiergesundheitsgesetz und der Bienen-Seuchenverordnung für die Verbesserung der Widerstandskräfte gegen Krankheiten, wie z. B. die amerikanische Faulbrut, leisten?
  7. Welche Auswirkungen hat verunreinigtes Bienenwachs zur Herstellung von Bienenstock-Mittelwänden auf die betroffenen Bienenstöcke und welche Lösungsmöglichkeiten sieht die Landesregierung (z. B. Einführung allgemeiner Qualitätsstandards für Bienenwachs)?
  8. Welche Auswirkungen hatten die Frostereignisse in Baden-Württemberg vom 19. bis 22. April 2017 auf die Bienenvölker und Honigerträge und welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung in diesem Zusammenhang, zukünftig Frosthilfen für Imker, z. B. analog zum Hilfsprogramm „Frosthilfe 2017“ bzw. Zuschüsse für Versicherungsmöglichkeiten, zu ermöglichen?

 

  • IV. Bienen und der Einsatz von Pestiziden

 

  1. Ist der Landesregierung bekannt, welche bienengefährlichen Pestizide wann, in welchem Umfang und in welchen landwirtschaftlichen Kulturen in Baden-Württemberg eingesetzt werden (tabellarische Aufstellung mit Markenname, Wirkstoff, Hersteller, Kultur, Anwendung, Einstufung der Bienengefährlichkeit etc.)?
  2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über den Einfluss bienengefährlicher Pestizide und insbesondere Neonikotinoide auf die Orientierungsfähigkeit, die Sammelleistung, das Immunsystem, den Fortpflanzungserfolg sowie auf die Bienenstocktemperatur von Honigbienen?
  3. Wie haben sich die Anträge und Ausnahmegenehmigungen, Absatz- und Einsatzmengen der Pflanzenschutzmittel mit den Wirkstoffen Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam seit 2013 nach ihrer Kenntnis in Deutschland und Baden-Württemberg entwickelt (tabellarische Aufstellung mit Markenname, Wirkstoff, Hersteller, Anwendung etc.)?
  4. Ist der Landesregierung bekannt, welche nicht in Deutschland, aber in anderen EU-Staaten zugelassenen Wirkstoffe − wie z. B. Cyantraniliprol (Beize für Rapssaatgut), welches in Polen, aber nicht in Deutschland zugelassen ist − in Baden-Württemberg eingesetzt werden?
  5. Welchen Kenntnisstand hat die Landesregierung über den Stand der Genehmigungsverfahren für sulfoxaflorhaltige Insektizide beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit?
  6. Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus der Studie von Scott et al. „Temporal dynamics of whole body residues of the neonicotinoid insecticide imidacloprid in live or dead honeybees“, wonach Pestizidrückstände in Bienen nach 48 Stunden abgebaut sind, was dazu führt, dass sie aufgrund der geringen Persistenz nicht als Todesursache in Betracht gezogen werden?
  7. Sind der Landesregierung die kritischen Berichte zur organisatorischen Nähe von Pflanzenschutzberatung und Pflanzenschutzkontrolle bekannt und wäre eine Neu-Organisation möglich, welche den Pflanzenschutzüberwachungsdienst in Schleswig-Holstein als Vorbild hat?
  8. Welche Erkenntnisse können aus den jüngsten Honigrückstandsuntersuchungen gewonnen werden, insbesondere unter Berücksichtigung der problematischen Ergebnisse von Thiacloprid (Klasse der Neonikotinoide) im Rapshonig?
  9. Inwieweit fördern Landesprogramme (z. B. das Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt) eine höhere Vielfalt an bienenattraktiven Kulturen, Blühflächen sowie besonders vielgliedrige Fruchtfolgen, um das Nahrungsangebot für Bestäuber zu erhöhen und gleichzeitig den Einsatz von Pestiziden zu senken?

Begründung:

Der dramatische Verlust der Artenvielfalt ist eindeutig belegt. Eine jüngst veröffentlichte  Langzeitstudie beziffert den Rückgang der Fluginsekten-Biomasse zwischen 1989 und 2016 auf 76 bis 82 Prozent. Auch Wild- und Honigbienen sind von dieser Entwicklung betroffen. Zentrale Ursachen sind die intensive Landwirtschaft, der Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide, die Überdüngung sowie die zunehmende Verinselung der Lebensräume. Zusätzlich hat eine 2018 veröffentlichte Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) festgestellt, dass die Anwendung neonicotinoider Pestizide ein erhebliches Risiko für Wild- und Honigbienen darstellt.

Wild- und Honigbienen produzieren nicht nur Honig, sondern bestäuben rund 80 Prozent der Wild-, Kultur- und Nutzpflanzen. Damit sind Wild- und Honigbienen ein wesentlicher Faktor für den Erhalt unserer biologischen Vielfalt und ihr volkswirtschaftlicher Nutzen durch Bestäubung geht in die Milliarden Euro. Die Imkerei ist somit nicht nur Hobby oder Beruf, sondern leistet einen entscheidenden Beitrag für das Gemeinwohl.

Die gut organisierten Imkerverbände sind die Augen und Ohren in der Fläche und können auf bestehende und neue Herausforderungen hinweisen. Die Imkerschaft und die von ihr betreuten Bienen liefern somit wichtige Informationen über den Zustand der Natur und unserer Umwelt. Deshalb stellt die Honigbiene einen einmaligen Bioindikator dar und es gilt auf den Erfahrungen der Imkerschaft aufzubauen. Der Klimawandel, das zunehmende Auftreten der Varroa-Milbe, der amerikanischen Faulbrut, des Kleinen Beutenkäfer und der asiatischen Hornisse stellen die Bienen sowie die Imkerinnen und Imker vor zusätzliche Herausforderungen.

Diese Große Anfrage soll die Situation der baden-württembergischen Imkerinnen und Imker erfragen und einen genauen Überblick über Ihre zentralen Herausforderungen verschaffen. Es gilt die Imkerschaft für die Zukunft zu stärken und zentrale Weichenstellungen rechtzeitig einzuleiten.