Soziales und Gesellschaft

Antrag: Praxis des Schutzes von Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg

Der Landtag wolle beschließen,

die Landesregierung zu ersuchen

zu berichten,

  1. welche Erkenntnisse sie darüber hat, welche der Empfehlungen zur interdisziplinären Zusammenarbeit im Kinderschutz vom 24. Juni 2009 in den 44 Stadt- und Landkreisen mit ihren insgesamt 46 Jugendämtern wie umgesetzt worden sind (bitte einzeln nach Stadt- und Landkreis aufschlüsseln) und inwieweit der Kinderschutz bei der Jugendhilfeplanung inzwischen ein eigenständiges Thema ist;
  2. welche Erkenntnisse sie darüber hat, nach welchen fachlichen Standards die örtlichen Träger der Jugendhilfe § 8 a Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VIII anwenden, wonach bei gewichtigen Anhaltspunkten für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen ist;
  3. nach welchen Standards die „insofern erfahrenen Fachkräfte“ in der Jugendhilfe benannt werden, zumindest unter Benennung, welche Qualifikation sie haben, welche (zusätzlichen) Qualifikationen für die Aufgabe verlangt werden, wie sie vergütet wird, in welchen Stadt- und Landkreisen die Rolle der „insofern erfahrenen Fachkräfte“ von Mitarbeitenden des Jugendamtes übernommen wird und wie dies von der Landesregierung bewertet wird;
  4. welche Erkenntnisse sie darüber hat, welche Faktoren – neben der Sozialstruktur − die sehr unterschiedliche Anzahl an Verfahren zur Gefährdungseinschätzung je 1 000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in den 44 Stadt- und Landkreisen erklären,
  5. wie die Dokumentation über die Verfahren zur Gefährdungseinschätzung sowie den Prozess zu deren möglicher Einleitung erfolgt und welche Schlussfolgerungen daraus in den Jugendämtern gezogen werden;
  6. wie viele dienst- und rechtsaufsichtliche Prüfungen es – jeweils aus welchem Anlass − gegenüber Jugendämtern in den vergangenen zehn Jahren gab und welche Ergebnisse und Konsequenzen diese hatten;
  7. welche Jugendämter ein eigenständiges, nicht auf die Dienstaufsichtsbeschwerde begrenztes Beschwerdeverfahren haben und wie die Bürgerinnen und Bürger darüber informiert werden;
  8. in wie vielen Fällen, quantitativ und anteilig, seit 2010 Kindern bei Verfahren „in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen“, in denen beispielsweise „die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge in Betracht kommt“ oder die „Trennung von der Person, in dessen Obhut es sich befindet“ erfolgen soll (§ 158 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit [FamFG]), kein Verfahrensbeistand (Anwalt des Kindes) zur Seite stand, welche Rolle die Familiengerichte dabei spielten und wie sich das Jugendamt dazu verhalten hat;
  9. in wie vielen Fällen und mit welchem Ergebnis seit 2010 Jugendämter den Instanzenweg beschritten haben, wenn das Gericht gegen das Jugendamt entschieden hat;
  10. ob sie beabsichtigt, weitere Präventionskonzepte gemeinsam mit den Kommunen zu entwickeln.

Begründung:
Der Landtag hat im November 2015 beschlossen, den Schutz von Kindern und Jugendlichen als Staatsziel  in der Landesverfassung zu verankern. Außerdem hat das Land gemäß dem Achten Sozialgesetzbuch die Aufgabe, die Weiterentwicklung der Jugendhilfe anzuregen und zu fördern. Die Beantwortung des Antrags soll Auskunft darüber geben, welche Maßnahmen die Landesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen umsetzt und plant. Dabei sollen – nicht nur vor dem Hintergrund des schweren Missbrauchsfalls in Staufen bzw. des Falls Alessio – praktische Schlussfolgerungen für die Verwirklichung der Kinder- und Jugendrechte in Baden-Württemberg identifiziert werden.