Hinter Mauern. Fluchtziel? Freiheit!

30 Jahre Wiedervereinigung – unsere Abgeordnete Barbara Saebel erzählt die Geschichte ihrer Flucht aus der DDR und was die Wiedervereinigung für sie bedeutet.

Frühjahr 1989: Ich bin 30 Jahre alt, lebe in Ostberlin, interessiere mich für Kultur, Geschichte und Umweltthemen. Vor drei Jahren ist das Kernkraftwerk Tschernobyl explodiert. Regierungsmedien haben den Reaktorunfall erst verschwiegen, dann verharmlost. Es hieß: „In der DDR keine Gefahr.“ Wichtige Informationen bekamen wir aus dem Westfernsehen. Auch die Umweltfolgen der Braunkohleverstromung sind in der DDR kein Thema. Ich sehe das anders, möchte mich für eine lebenswerte Zukunft engagieren, ein selbstbestimmtes Leben führen. Ich möchte reisen, Athen, Rom und Paris sehen, aber die Realität sieht anders aus: Wir leben hinter der Mauer, die Ost und West trennt.

Dann kommt meine Chance – Sommer ´89! Die ungarische Regierung öffnet die Grenze nach Österreich. 30 Jahre in der DDR sind genug. Mich hält nichts mehr – Fluchtziel Freiheit! Erst nach Wien, dann weiter nach Deutschland ins Auffanglager Gießen. An meinem ersten Abend in Gießen spricht Joschka Fischer im Audimax der Uni. Der Saal ist überfüllt, ich bin von Fischers Rede schwer beeindruckt – das ist meine Partei! Meine neue Heimat wird Ettlingen in Baden-Württemberg, ich werde Mutter und engagiere mich bei den Grünen. Endlich kann ich frei und selbstbestimmt für die Themen eintreten, die mir wichtig sind.

Heute jährt sich die Wiedervereinigung zum 30. Mal. Für mich ist die Wiedervereinigung das bedeutendste und freudigste Ereignis der Nachkriegsgeschichte. Natürlich war es für viele DDR-Bürger*innen anfangs nicht einfach in der neuen Gesellschaft ihren Platz zu finden. Aber Großartiges ist seitdem geleistet worden und wenn ich heute durch die nicht mehr ganz so neuen Bundesländer fahre, freue ich mich an sanierten Innenstädten und daran, dass die ehemalige innerdeutsche Grenze, der ehemalige „Todesstreifen“ nun ein grünes Band für den Naturschutz ist. 

Ich habe die eine Hälfte meines Lebens in Ost-Berlin und die andere Hälfte im wiedervereinigten Deutschland gelebt und empfinde meine Freiheit hier als große Bereicherung. Umweltschutz hat mich schon in der DDR bewegt. Aber erst hier konnte ich mich in die Gesellschaft einbringen, erst viele Jahre ehrenamtlich als Stadträtin und nun als Abgeordnete. 

Für die junge Generation spielt die ehemalige Teilung keine Rolle mehr - sie ist Geschichte - und das ist gut so! Aber aus der Erfahrung unserer Geschichte sollten wir Verantwortung übernehmen und uns für Versöhnung bei Konflikten im In-und Ausland einsetzen.

Warum Politik? In unserer Reihe #47für11 auf Instagram zeigen wir, was unsere 47 Abgeordneten motiviert, für 11 Millionen Menschen in Baden-Württemberg Politik zu machen.