Kunst und Kultur

Aktuelle Debatte: Die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte ist überfällig – und liegt in unserer Verantwortung

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Es war ein historischer und bewegender Moment:  Bei einer Zeremonie hat Kunstministerin Theresia Bauer geraubte Kulturgüter – eine Peitsche und eine Bibel - an Namibia zurückzugegeben. Die Rückgabe ist ein Vorzeigebeispiel für die Aufarbeitung der Kolonialzeit. Die sogenannte Restitution thematisiert unser kulturpolitischer Sprecher, Manfred Kern, in seiner Landtagsrede. Baden-Württemberg setze hier Impulse, die weit über die Grenzen herausgetragen werden und auf positive Resonanz stoßen. Das zeigt: Es ist richtig, Verantwortung zu übernehmen und Kulturgüter im Einvernehmen und auf Augenhöhe den damals bestohlenen Völkern zurückzugeben.

Noch heute, über 100 Jahre später, leiden die betroffenen Staaten unter den gravierenden wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Folgen der Kolonialzeit. Die vorübergehende Herrschaft der Deutschen und anderer Kolonialmächte bedeutete für die Bevölkerung der betroffenen Gebiete Rechtlosigkeit, Ausbeutung und Gewalt. Es gab willkürliche Grenzziehungen, die Kolonialherren teilten sich die Gebiete nach ihrem Gusto untereinander auf. Kolonialherrschaft bedeutete rücksichtslose Herabsetzung anderer Kulturen und damit verbunden unrechtmäßige Aneignung fremder Kulturgüter.

Das unfassbare Leid, das der von Deutschland ausgehende Kolonialismus über diese Menschen und ihre Nachfahren gebracht hat, lässt sich nicht wieder gut machen. Gleichwohl stellen wir uns heute – als Erben der Verantwortlichen von damals – der Verantwortung.  Was können wir aus dieser Verantwortung heraus tun? So vielschichtig und tiefgreifend die Schäden sind, die durch den Kolonialismus hervorgerufen wurden, so vielschichtig und tiefgreifend muss auch unsere Antwort sein. Ganz grundlegend muss sich die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches bei den Betroffenen für die begangenen Verbrechen und das koloniale Unrecht entschuldigen. Erst 2016 wurde der Völkermord an den Herero und Nama im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika von der Bundesregierung auch erstmals als solcher bezeichnet. Ein wichtiger Schritt in diesem Prozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist.  

Auf dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg wie auch im übrigen Deutschen Reich stieg die Zahl der Exponate in den Museen, Archiven, Hochschulen und privaten Sammlungen während der Kolonialzeit sprunghaft an. Unzählbare archäologische Fundstücke, Kunstgegenstände, rituelle und kulturelle Gegenstände sowie menschliche Gebeine wurden als Ausstellungsgegenstände unter Androhung oder Ausübung von Gewalt aus den kolonialisierten Gebieten nach Europa gebracht und öffentlichen und privaten Sammlungen einverleibt.

Der Kolonialismus hat so nicht nur Hunderttausende von Menschenleben gekostet und die betroffenen Gebiete und die dort beheimateten Menschen wirtschaftlich ausgebeutet, sie wurden auch ihrer kulturellen Geschichte und damit ihrer kulturellen Identität beraubt. Restitution heißt damit auch, den Betroffenen einen Teil ihrer Identität zurückzugeben.